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Des Teufels Novize

Des Teufels Novize

Titel: Des Teufels Novize Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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das auch ein armseliger Ausgleich für einen toten Priester ist.«
    Meriet hatte sich steif umgedreht und starrte sie stirnrunzelnd an. »Einen Priester umgebracht? Welchen Priester? Von wem redet Ihr?«
    »Was denn, habt Ihr es noch nicht gehört? Nun, der Kaplan des Bischofs von Winchester wurde im Großen Wald gefunden.
    Ein wilder Mann, der in den Häusern außerhalb der Stadt gestohlen hat, tötete ihn. Es ist, wie ich sagte: Da uns ein harter Winter ins Haus steht, mag er sehr wohl zitternd an Eurer Tür gebettelt haben, mit dem Dolch des Priesters unter dem Mantel, um Euch abzustechen.«
    »Damit ich Euch recht verstehe«, sagte Meriet langsam. »Ihr sagt, ein Mann ist für diesen Mord festgenommen worden?
    Verhaftet und angeklagt?«
    »Festgenommen, beschuldigt, eingesperrt und so gut wie gehängt«, erklärte der Informant fröhlich. »Das wäre mal einer, um den Ihr Euch nicht mehr zu sorgen braucht, Bruder.«
    »Was für ein Mann ist er? Wie kam es dazu?« fragte Meriet drängend.
    Sie sagten es ihm auf, immer einer nach dem anderen eine Strophe, und waren erfreut, in ihm jemand gefunden zu haben, der die Geschichte noch nicht kannte.
    »Und leugnen wäre Zeitverschwendung, denn er hatte den Dolch, der dem ermordeten Mann gehörte, bei sich. Er hätte ihn im Meiler dort gefunden – nun, das mag glauben, wer will.«
    Meriet starrte an ihnen vorbei und fragte mit leiser Stimme:
    »Was für ein Kerl ist er? Hier aus dem Ort? Wißt Ihr seinen Namen?«
    Damit konnten sie nicht dienen, doch sie konnten ihn beschreiben. »Nicht aus dieser Gegend; ein Entlaufener, der im wilden Wald gelebt hat, ein armer, halbverhungerter Hund, der schwört, er hätte nie etwas Schlimmeres getan als etwas Brot oder ein Ei zu stehlen, um am Leben zu bleiben; doch die Wäldler sagen, daß er auch ihre Hirsche genommen hätte.
    Dünn wie ein Zaunpfahl und in Lumpen, ein armer Bursche…«
    Sie nahmen ihren Korb und verabschiedeten sich, und Meriet ging den ganzen Tag über in kaltem Schweigen seiner Arbeit nach. Ein armer Bursche – ja, so schien es. So gut wie gehängt! Abgemagert und ein Flüchtling, im Wald gelebt und fast zu Tode gehungert…
    Er sagte kein Wort zu Bruder Mark, doch eins der klügsten und neugierigsten Kinder hatte in der Küchentür die Ohren gespitzt und den Wortwechsel belauscht und die Neuigkeiten mit verständlichem Genuß im Haus verbreitet. Das Leben in St. Giles, so geschützt es auch verlief, konnte langweilig sein, und man war dankbar für eine gelegentliche Sensation, die die Alltagsroutine durchbrach. Die Geschichte kam schließlich auch Bruder Mark zu Ohren. Als er Meriets kalte Maske und das nach innen gewandte Starren sah, rang er mit sich, ob er das Wort ergreifen sollte oder nicht, doch schließlich wagte er eine Bemerkung.
    »Du hast sicher gehört, daß ein Mann wegen des Mordes an Peter Clemence verhaftet wurde?«
    »Ja«, sagte Meriet mit bleierner Stimme und blickte durch ihn hindurch in weite Ferne.
    »Wenn er unschuldig ist«, sagte Mark nachdrücklich, »dann wird ihm auch kein Leid geschehen.«
    Meriet hatte nichts weiter zu sagen, und Mark schien es nicht angebracht, noch etwas hinzuzusetzen. Doch von diesem Augenblick an beobachtete er seinen Freund mit unaufdringlicher Sorge, und es tat ihm weh, als er sah, wie Meriet sich so tief in das Wissen zurückgezogen hatte, das in ihm zu arbeiten schien wie Gift.
    Mark konnte im Dunkel der folgenden Nacht nicht schlafen.
    Es war schon eine Weile her, daß er sich das letzte Mal des Nachts zur Scheune gestohlen hatte, um aufmerksam am Fuß der Leiter, die zum Dachboden hinaufführte, zu lauschen und in der Stille beruhigt festzustellen, daß Meriet fest schlief; doch in dieser Nacht machte er sich wieder auf die Pilgerschaft. Er kannte nicht den wahren Grund und die Natur von Meriets Qualen, doch er wußte, daß der vergiftete Stachel tief im Herzen saß. Er erhob sich vorsichtig und lautlos, um seine Nachbarn nicht zu stören, und ging zur Scheune hinaus.
    Der Frost war in dieser Nacht nicht sehr grimmig, die unbewegte Luft war etwas dunstig und hatte nicht das sternenklare Glitzern der vergangenen Nächte. Der Dachboden war warm, es duftete heimelig nach Holz, Stroh und Korn; doch hier fand dieser unzugängliche Schläfer, der fürchten mußte, seine Nachbarn aufzuschrecken, auch seine große Einsamkeit.
    Mark hatte sich einige Male gefragt, ob er Meriet nicht auffordern sollte, herunterzukommen und sich zu seinen Gefährten zu gesellen,

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