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Des Teufels Novize

Des Teufels Novize

Titel: Des Teufels Novize Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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doch das wäre nicht leicht zu vollbringen gewesen, ohne diesem ernsten Geist zu verstehen zu geben, daß sein Schlaf, wie wohlwollend auch immer, beobachtet worden war; und so hatte Mark sich nie durchringen können, den Versuch zu wagen.
    Er fand trotz der dichten Dunkelheit den Fuß der steilen Treppe; im Grunde war es nur eine Trittleiter, die nicht durch ein Geländer geschützt war. Er verharrte mit angehaltenem Atem, die Nase voll vom Ernteduft der Scheune. Über ihm war unbehagliches Schweigen, gestört von leichten, kleinen Bewegungen. Zuerst dachte er, Meriet schliefe nur flach und drehte sich immer wieder im Bett, um eine Stellung zu finden, in der er tiefer in friedvollen Schlaf sinken konnte. Dann aber merkte er, daß er Meriets Stimme lauschte; gedämpft und unverständlich war sie, doch unverkennbar, ohne unterscheidbare Worte, ein bloßes Murmeln, doch schrecklich anzuhören in einem beständigen Widerstreit zwischen dem einem und einem anderen Erfordernis, beide gleichermaßen zwingend. Wie ein Verbrecher, dem auseinanderstrebende Pferde Glied um Glied ausrissen. Und doch war das Geräusch so leise und schwach, daß er die Ohren anstrengen mußte, um es mitzubekommen.
    Bruder Mark stand elend da und fragte sich, ob er hin-aufsteigen und den Schläfer wecken sollte, falls er wirklich schlief, oder ob er sich neben ihn legen und sich weigern sollte, ihn zu verlassen, falls er wachte. Es gibt eine Zeit, da man einen Menschen, ob wohlauf oder krank, allein lassen muß, und eine Zeit, da man mit fliegenden Fahnen und schallenden Trompeten stürmen und die Kapitulation verlangen muß. Doch er wußte nicht, ob der Augenblick für dieses Extrem gekommen war. Bruder Mark betete; nicht mit Worten, sondern indem er im Geiste eine Kerze entzündete, die sogleich mit lichter Flamme brannte und seine Fürbitte für Meriet mit ihrem Rauch emportrug.
    Über ihm in der Dunkelheit regte sich im feinen, trockenen Staub von Spreu und Stroh ein Fuß. Es klang wie Mäuse, die in der Nacht umherhuschten. Leise Schritte waren über ihm zu hören, gleichmäßig und langsam. Im Dunkel darunter, das durch eindringendes Sternenlicht etwas gemildert wurde, starrte Mark nach oben und sah die Dunkelheit flattern und wirbeln.
    Etwas Glattes, Bleiches tauchte in die klaffende Öffnung herab und tastete nach der obersten Leiterstufe: ein nackter Fuß. Sein Gegenstück folgte, trat eine Sprosse tiefer. Eine Stimme, immer noch tief in den Körper zurückgezogen, der am oberen Ende der Leiter lehnte, sagte leise, doch klar verständlich: »Nein, ich kann es nicht ertragen!«
    Er kam herunter, er suchte Hilfe. Bruder Mark atmete dankbar auf und sprach leise zur Dunkelheit über ihm: »Meriet!
    Ich bin hier!« Sehr leise, doch es war genug.
    Der Fuß, der auf der nächsten Sprosse Halt gesucht hatte, irrte ab und trat ins Leere. Es gab einen schwachen, verzweifelten Schrei, leise wie ein Vogel, dann kam ein Kreischen, wach und lebendig und verwirrt und empört. Meriet rutschte seitlich weg und fiel halb in Bruder Marks blind ausgestreckte Arme, halb neben ihn und landete mit einem dumpfen, bösen Knall auf dem Boden der Scheune. Mark hielt verzweifelt, was er erwischt hatte, und bevor es ihn ganz hinabzog, senkte er Meriet so sachte wie möglich nieder; die Glieder knickten schlaff zusammen, und Meriet blieb lahm und reglos liegen. Bis auf Marks schweren Atem war alles still.
    Er tastete voller Panik den leblosen Körper ab, legte ein Ohr auf die Brust, um Atem und Herzschlag zu hören, berührte eine weiche Wange und das dichte, dunkle Haar und zog seine warmen, von Blut klebrigen Finger hastig zurück. »Meriet!« flüsterte er drängend in ein taubes Ohr und erkannte, daß Meriet tief bewußtlos war.
    Mark rannte um Licht und Hilfe, doch selbst in dieser Not achtete er umsichtig darauf, nicht das ganze Dormitorium aufzuschrecken. Er schmeichelte zwei der kräftigsten und willigsten seiner Herde, die nahe an der Tür schliefen, aus dem Schlaf und führte sie hinaus, ohne die anderen zu wecken. Sie nahmen eine Laterne mit und untersuchten Meriet, der immer noch bewußtlos auf dem Scheunenboden lag. Mark hatte den Sturz etwas abgefangen, doch Meriets Schädel war an eine Kante der Trittleiter geschlagen, und ein heftig blutender, langer Riß lief quer über die rechte Schläfe. Sein rechter Fuß lag unnatürlich verdreht unter dem anderen Bein.
    »Meine Schuld, meine Schuld!« flüsterte Mark elend, während er den schlaffen Körper nach

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