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Des Teufels Novize

Des Teufels Novize

Titel: Des Teufels Novize Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Leoric wanderte in der frostigen Luft durch die Gärten, um die Fischteiche und Felder herum zum Meole-Bach hinunter, der mit zartem Eis wie von einem Spitzentuch überzogen war, und verschwand. Cadfael hatte gewartet, um ihm Zeit zum Alleinsein zu geben, wie er es offenbar wünschte; doch dann verlor er ihn aus den Augen und fand ihn in der Friedhofskapelle an Peter Clemence’ Sarg wieder, der jetzt geschlossen und reich geschmückt auf Bischof Henrys Verfügungen wartete. Auf einem gegabelten Halter am Kopfende brannten zwei neue, schöne Kerzen, und Leoric Aspley kniete am Fußende auf dem gefliesten Boden. Er bewegte in stillem, ruhigem Gebet die Lippen, die offenen Augen ruhten unbeirrt auf dem Sarg. Cadfael wußte nun, daß seine Ahnungen richtig waren. Die Kerzen mochten nur das höfliche Opfer eines Mannes an einen toten Verwandten, wie entfernt auch immer, gewesen sein; doch das grimmige, bekümmerte Gesicht, das im Stillen eine Schuld anerkannte, die noch nicht gestanden oder gesühnt war, bestätigte, welche Rolle er gespielt hatte, als diesem Toten das Begräbnis vorenthalten wurde, und erklärte auch den Grund dafür.
    Cadfael zog sich schweigend zurück und erwartete ihn am Ausgang. Leoric blinzelte, als er ins Freie trat, und sah sich plötzlich einem kleinen, stämmigen, nußbraunen Bruder gegenüber, der ihm in den Weg trat und geheimnisvoll wie ein warnender Engel zu ihm sprach:
    »Gnädiger Herr, ich habe eine dringende Botschaft an Euch.
    Ich bitte Euch, mit mir zu kommen. Ihr werdet gebraucht. Euer Sohn ist sterbenskrank.«
    Es kam so plötzlich und knapp, daß es eindrang wie eine Lanze. Die beiden jungen Männer waren vor einer halben Stunde gegangen – Zeit genug für den Schwertstreich eines Mörders oder das Messer eines heimtückischen Diebes, Zeit genug für jede denkbare Katastrophe. Leoric hob den Kopf, schnaufte erschreckt und keuchte: »Mein Sohn…?«
    Erst dann erkannte er den Bruder, der im Auftrag des Abtes nach Aspley gekommen war. Cadfael sah feindseliges Mißtrauen in den tiefliegenden, arroganten Augen aufflammen und kam allem zuvor, was sein Gegenspieler sagen konnte.
    »Es ist hohe Zeit«, sagte Cadfael, »daß Ihr Euch daran erinnert, daß Ihr zwei Söhne habt. Wollt Ihr einen von ihnen ohne tröstendes Wort sterben lassen?«

11. Kapitel
    Leoric ging mit ihm; er schritt ungeduldig und mißtrauisch aus und regte sich unduldsam, doch er ging weiter mit. Er fragte und bekam keine Antwort. Als Cadfael einfach sagte: »Dann geht nur zurück, wenn das Euer Wille ist, und schließt für Euch allein Euren Frieden mit Gott und ihm!« knirschte Leoric mit den Zähnen und ging weiter.
    An der Steigung des langen Grashanges vor St. Giles blieb er stehen; doch eher, um den Ort zu mustern, an dem sein Sohn diente und litt, und weniger aus Furcht vor den vielen Krankheiten, die er drinnen sehen würde. Cadfael führte ihn zur Scheune, wo noch Meriets Pritsche stand. Meriet saß in diesem Augenblick darauf, den stabilen Stab, mit dem er im Spital umherhumpelte, aufrecht in der rechten Hand, den Kopf an den Griff gelehnt. Er war, so gut er konnte, seit der Prim herumgestreift, und Mark hatte ihm vor dem Mittagsmahl eine Ruhepause verordnet. Er bemerkte sie nicht sofort, denn das Licht in der Scheune war trüb und sanft, und die Schatten verlagerten sich ständig. Er wirkte mehrere Jahre älter als der schweigsame, unterwürfige Jugendliche, den Leoric vor fast drei Monaten als Postulanten zur Abtei gebracht hatte.
    Der Vater, der mit dem schräg einfallenden Licht eintrat, blieb stehen und betrachtete Meriet. Sein Gesicht war verschlossen und zornig, doch die Augen darin starrten verwirrt und bekümmert und auch entrüstet, da er unter falschem Vorwand hergeführt worden war und der Kranke offensichtlich kein Zeichen des Todes zeigte; doch er schwieg resigniert wie ein Mann, der mit seinem Schicksal Frieden geschlossen hat.
    »Geht hinein«, sagte Cadfael an Leorics Schulter, »und sprecht mit ihm.«
    Einen Augenblick schien Leoric unsicher zu schwanken, ob er nicht doch noch kehrtmachen und seinen betrügerischen Führer zur Seite stoßen sollte, um auf dem Weg zurückzugehen, den er gekommen war. Er warf tatsächlich einen düsteren Blick über die Schulter und zog sich etwas aus der Tür zurück; doch entweder Cadfaels leise Stimme oder die leichte Bewegung war zu Meriet durchgedrungen und hatte ihn aufgeschreckt. Er hob den Kopf und sah seinen Vater. Eine befremdliche Mischung aus

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