Des Teufels Novize
Erstaunen, Schmerz und widerstrebender, unwilliger Zuneigung verzerrte sein Gesicht.
Er wollte sich respektvoll erheben, doch in seiner Hast gelang es ihm nicht. Die Krücke rutschte ihm aus der Hand und fiel krachend auf den Boden, und er langte mit verkniffenem Gesicht danach.
Leoric war schneller. Er überwand die Entfernung zwischen ihnen mit drei langen, ungeduldigen Sätzen, drückte, indem er ihm brüsk eine Hand auf die Schulter legte, seinen Sohn auf das Lager zurück und gab ihm die Krücke in die Hand; er wirkte dabei eher wie jemand, der durch Ungeschicklichkeit gereizt ist, und nicht wie ein Vater, der dem behinderten Sohn hilft. »Bleib sitzen!« sagte er grob. »Du brauchst nicht aufzustehen. Man hat mir gesagt, daß du gestürzt bist und noch nicht richtig laufen kannst.«
»Mir ist nichts Schlimmes geschehen«, sagte Meriet, der unverwandt zu ihm aufblickte. »Ich werde schon bald wieder gehen können. Es ist sehr freundlich, daß Ihr mich sehen wollt; ich hätte keinen Besuch erwartet. Wollt Ihr Euch setzen, Vater?«
Nein, Leoric war zu aufgewühlt und ruhelos; er betrachtete die Einrichtung der Scheune und warf nur hin und wieder einen raschen Blick zu seinem Sohn. »Dieses Leben – der Weg, den du willig beschriften hast – ich hörte, daß es dir schwerfällt, dich dareinzufinden. Du hast die Hand an den Pflug gelegt, und du mußt die Furche bis zu Ende ziehen. Erwarte nicht, daß ich dich herausnehme.« Seine Stimme war barsch, doch sein Gesicht war schmerzverzerrt.
»Meine Furche hat gute Aussichten, eine sehr kurze zu sein, und ich darf sagen, daß ich sie bis zu Ende gehe«, sagte Meriet scharf. »Denn haben sie Euch nicht auch gesagt, daß ich gestand, was ich getan habe, und daß Euer Schutz nicht weiter nötig ist?«
»Du hast gestanden…« Leoric war fassungslos. Er strich sich mit der Hand über die Augen, starrte und schüttelte den Kopf.
Die kalte Ruhe des Jungen war verwirrender, als es jede leidenschaftliche Äußerung gewesen wäre.
»Es tut mir leid, wenn ich Euch für eine üble Sache soviel Mühe und Schmerzen bereitet habe«, sagte Meriet. »Doch es war nötig zu sprechen. Sie begingen einen großen Irrtum, indem sie einen anderen Mann beschuldigten, einen armen Kerl, der wild im Wald lebte und hier und dort Essen gestohlen hatte. Habt Ihr es nicht gehört? Wenigstens konnte ich ihn entlasten. Hugh Beringar hat mir versichert, daß ihm kein Leid geschehen wird. Ihr hättet doch nicht gewollt, daß ich ihn an meiner Stelle sterben ließ? Gebt wenigstens dieser Tat Euren Segen.«
Leoric stand einige Minuten sprachlos vor ihm. Sein großer Körper war gelähmt und zitterte, als kämpfte er mit seinem eigenen Dämon. Dann setzte er sich abrupt neben seinen Sohn auf das krachende Lager und nahm linkisch Meriets Hand; und obwohl sein Gesicht noch immer hart wie Marmor war und die Geste eher aussah wie ein Schlag und seine Stimme, als er schließlich die richtigen Worte fand, streng und barsch klang, zog Cadfael sich still von ihnen zurück und drückte hinter sich die Tür zu. Er setzte sich auf die Terrasse; gerade so weit entfernt, daß er ihre Stimmen drinnen noch hören konnte, doch weit genug, um die Worte nicht mehr zu verstehen, und an einer Stelle, von der aus er die Tür beobachten konnte. Er glaubte nicht, daß er noch gebraucht würde; doch hin und wieder erhob sich die Stimme des Vaters in hilflosem Zorn, und ein-oder zweimal war auch Meriets Stimme mit klarer, störrischer Schroffheit zu hören. Das spielte keine Rolle; sie wären nicht sie selbst ohne die Funken, die sie aneinander schlugen.
Danach, dachte Cadfael, soll er wieder so gleichgültig und kalt tun, wie er will. Ich weiß es jetzt besser.
Er ging wieder hinein, als er den richtigen Zeitpunkt für gekommen hielt, denn auch er hatte Leoric noch viel zu sagen, ehe das Essen beim Abt begann. Der rasche, hitzige Wortwechsel hörte auf, als er eintrat, und die wenigen Worte, die sie noch sprachen, kamen leise und lahm heraus.
»Seid mein Botschafter für Nigel und Roswitha. Sagt ihnen, daß ich immer für ihr Glück bete. Ich hätte gern an der Hochzeit teilgenommen«, sagte Meriet fest, »doch das kann ich nun nicht mehr erwarten.«
Leoric blickte zu ihm hinab und fragte unbeholfen: »Kümmert man sich hier gut um dich? Um Körper und Seele?«
Meriet lächelte erschöpft; ein bleiches Lächeln, doch warm und süß. »So gut wie je in meinem Leben. Ich bin hier unter meinen Brüdern gut gelitten.
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