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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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informiert über nahezu jede einzelne Tat, die Bracht begangen hatte. Er hatte ihm die Hunde beschafft, die er seinen armen Opfern an die toten Füße band. Er hatte gewusst, aus welchem Grunde Mine hatte sterben müssen. Er hatte all das gesehen oder mit Bracht über all das gesprochen. Warum?
    »Wirst du ihn töten, wenn er aufwacht?«, wollte Anna wissen.
    »Man wird ihn nicht töten.«
    »Weshalb nicht? Er ist ein Mörder.«
    »Alle sind Mörder.«
    »Aber er hat unschuldige Frauen getötet.«
    »Andere töten unschuldige Frauen und unschuldige Kinder. Er tötet schuldige Frauen.«
    »Und du schaust dabei zu.«
    »Man schaut zu, man schaut nicht zu. Manchmal ist man nicht da, wenn es passiert. Ist man da, dann schaut man zu.«
    »Macht dir das Freude, dabei zuzusehen?«
    »Man kann nichts ändern. Manchmal macht es Freude, manchmal hat man Mitleid.«
    »Wieso kannst du nichts daran ändern? Du hättest ihn längst ausliefern können. Stark genug bist du dazu.«
    »Es soll so sein.«
    Anna nickte. Sie verstand zwar nicht, aber sie nickte. Er war verrückt, keine Frage, und ihr zweifelhaftes Glück war, dass er glaubte, es sei seine Aufgabe, sie zu beschützen. So wie es Brachts Aufgabe war, sie durch ganz Deutschland hindurch zu verfolgen, um sie dafür zu bestrafen, dass er in Pferdekot gefallen war.
    Sie suchte sich einen alten Eimer und ein Seil, von denen in einer nahen Fischerhütte genügend herumlagen. Sie band das Seil fest um Hände und Füße des Bewusstlosen, dann füllte sie den Eimer mit Wasser und schüttete den kalten Inhalt über Brachts Gesicht. Dieser erwachte tatsächlich, versuchte sich trotz der Fesseln aufzurichten, saß schließlich eine Weile wie benebelt da und erkannte dann Anna, die kerzengerade und mit versteinerter Miene vor ihm stand.
    »Ihr seid es also, Pastor Bracht.«
    »Anna Pippel – hat Euer Helfer Euch ein weiteres Mal das Leben gerettet? Ah, da bist du ja, Pippin. Hast dich einmal wieder erdreistet, mir eines über den Schädel zu geben. Das ist eine Unart von dir! Eine Unart, wenn du bedenkst, was ich alles für dich getan habe.«
    »Er hat vieles getan. Aber man will nicht, dass er die Frau tötet.«
    »Aber Pippin, das kannst du nicht von mir verlangen.«
    »Man weiß, dass man ihn nicht aufhalten kann.«
    »Das ist gut, dass du das weißt. Wo hast du den Hund, Pippin? Du hast mir doch versprochen, einen Hund zu besorgen.«
    »Kein Hund da.«
    »Ach, Pippin, das glaube ich dir nicht. Wo ist er?«
    »Kein Hund da.«
    »Na, wenn das so ist, dann spring schnell ins Dorf und hol mir einen. Irgendwo wird es schon noch eine junge Töle aufzutreiben geben.«
    Erstaunt verfolgte Anna das Gespräch der beiden. Bracht hatte nun tatsächlich vor, sein Vorhaben mit ihr zu vollenden.
    »Einen Teufel wird Pippin tun, und auch Ihr, Bracht, werdet bleiben, wo Ihr seid.«
    »Solche Töne von Euch? Von der scheuen Anna Pippel? Na, wer hätte das gedacht. Ihr klingt ja nahezu wie Eure Freundin. Wie die alte Hexe Kroll!«
    Das war nicht mehr der charmante und eloquente Pastor Bracht, den sie kannte. Es war nicht mehr der förmliche und höfliche Hirte, der mit sanfter und verständnisvoller Stimme zu seinen Schäfchen sprach. Hier saß ein Teufel, und er sprach auch wie ein Teufel. Doch er sah aus wie Bracht, trug dessen Kleidung, hatte dessen Gesichtszüge, dessen statur – allein seine Stimme wollte wahrlich nicht zu ihm passen, seine düstere, bedrohliche Stimme. Und auch seine Worte waren plötzlich alles andere als erlesen und vornehm.
    Anna begann mit ihren Fragen: »Warum tut Ihr solch scheußliche Dinge, Pastor Bracht?«
    »Weshalb sollte ich das ausgerechnet dir erzählen?« Er lachte laut.
    »Ihr müsst mir nicht antworten. Dann gehe ich gleich ins Dorf und hole Hilfe. Die Leute sind wütend auf Euch, sehr wütend.«
    »Pippin wird mir helfen.«
    »Das glaube ich kaum. Wirst du ihm helfen, Pippin?«
    »Man wird tun, was die Frau sagt.«
    »Seht Ihr, Bracht, er wird tun, was die Frau sagt.« Anna nahm sich ein Herz. Sie hatte einen Plan, wie sie diese Bestie aus der Reserve locken würde. »Was haben die Frauen gemacht? Warum haben sie über Euch gelacht? Sie haben es doch nicht etwa alle lustig gefunden, wie Ihr hinter einem Busch Euer Geschäft verrichtet oder in Pferdedung ausrutscht. Was ließ die vielen Trosshuren über Euch kichern? Was habt Ihr zu verbergen, Pastor Bracht, für das Ihr Euch schämt? Hat es etwa was mit Eurer Männlichkeit zu tun? Ist das der Grund? Könnt

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