Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
getötet. Du hast auch Mama getötet.«
»Sie war eine dumme, kranke Hure, deine Mutter. Und sie hat auch mich mit der Franzosenseuche angesteckt. Eine Hure war sie, und du bist nichts weiter als ein Hurensohn, ein armer, missgestalteter Hurensohn.«
Anna wich zurück, als Pippin plötzlich wie ein Rasender auf den Wehrlosen zustürzte. Wutschnaubend zerrte er den Gefes-selten zum See. Zunächst lachte Bracht noch, aber dann wurde sein Kopf unter Wasser getaucht, minutenlang.
Anna schaute zu und unternahm nichts.
Schließlich hörte Georg Bracht auf zu zappeln. Der Mörder war tot.
»Da ist er. Er ist es, die Missgeburt. Und er hat schon wieder einen umgebracht.« Andreas kam plötzlich aus dem nahen Wald gestürzt. Hinter ihm ein gutes Dutzend mit sensen, spießen und Heugabeln bewaffneter Männer.
Anna konnte gar nicht so schnell schauen, wie sie auf Pippin losstürmten.
»Andreas! Andreas! Halt!« Erst jetzt bemerkte Andreas sie.
»Was machst du hier?«, brüllte er, dann rief er den Männern zu: »Packt ihn und macht mit ihm, was ihr wollt.«
Anna wollte sich zwischen die Meute und den verdutzten Pippin werfen. Doch Andreas hielt sie an beiden Armen fest.
»Nein, nein!«, schrie sie verzweifelt. »Schwimm, Pippin, schwimm!«
Und Pippin tat, was sie ihm zurief. Mit einem einzigen Sprung war er im tiefen Wasser, tauchte unter und war verschwunden. Einige Männer sprangen ihm hinterher, kehrten aber nach kurzer Zeit nass und frierend ans Ufer zurück. Anna atmete auf und befreite sich energisch aus dem festen Griff ihres Liebsten. Dann gab sie ihm eine schallende Ohrfeige.
Andreas sah sie traurig an. »Das ist also der Dank dafür, dass ich dir das Leben gerettet habe.«
Dann drehte er sich um und ging.
Die anderen Männer machten zwei Boote bereit, um auf den See hinauszurudern. Sie wollten die Suche noch nicht aufgeben.
Anna blieb am Ufer. Sie hockte sich neben den toten Bracht nieder.
Jetzt war es vorbei. Es war endlich vorbei.
Eine ganze Weile verharrte sie mit versteinertem Gesicht in dieser Position und beobachtete teilnahmslos die beiden Boote, die, immer kleiner werdend, im Dunkel des weiten Sees umherruderten. Als sie schließlich, fünfzig Schritte entfernt, einen schwarzen Schatten aus dem Wasser kommen sah, der nur kurz innehielt und sich in ihre Richtung wandte, um dann eilig im Wald zu verschwinden, war auch für Anna die Zeit gekommen, nach Hause zu gehen. sie war erleichtert.
SCHLUSS
Georg Bracht, der teuflische Mörder all der vielen Frauen, wurde am 23. September 1634 ertränkt. Ertränkt von seinem eigenen Sohn, dem missgestalteten Pippin Ohnsorg, der seit diesem Tag verschwunden war. Er blieb ein Rätsel, ein schatten, ein komischer Kauz, getrieben von Angst, Misstrauen und dem Bedürfnis nach Schutz und Geborgenheit. Ein Wesen des Waldes, das sich versteckte, um gefunden zu werden, das tötete, um zu schützen, und das weiterlebte, um irgendwann geliebt zu werden.
Anna Pippel dachte noch oft an ihn und wünschte sich, dass es ihm gut erging. Sie hoffte von nun an auf ein friedliches Leben, vielleicht sogar an der Seite des Mannes, den sie liebte. Doch noch immer war sie sich nicht sicher, ob Andreas Moosberger bei ihr bleiben würde oder ob es ihn wieder hinaus in den Krieg und zu anderen Frauen trieb.
Doch Andreas blieb. Zusammen mit dem alten Hans Mergel durchstanden sie die letzten Monate des schrecklichen Pestund Hungerjahres, wehrten sich gegen spanier, Kaiserliche, Bayerische und Straßendiebe. Sie ertrugen im folgenden Jahr die vorerst letzten Durchzüge plündernder Truppen, und dann kam endlich die Ruhe. Zehn Jahre lang Ruhe.
Der Krieg verlegte seinen schauplatz und ließ das geschändete Bayern aufatmen. Der Gramshuber-Hof wurde wieder aufgebaut, und endlich begann das Leben, von dem Anna immer geträumt hatte. Der gewohnte, harte Alltag kehrte ein. Man stand mit der Sonne auf, arbeitete schwer, freute sich über die erste gute Ernte, ärgerte sich über den Verlust einer trächtigen Kuh, saß des Abends müde vor dem Ofen und lauschte den Geschichten des alten Mergel.
Im Jahre 1635 heirateten Andreas und Anna. Sie fanden einen Pfarrer in Herrsching, der die Trauung vornahm.
Noch im selben Jahr geschah ein freudiges Ereignis, mit dem Anna nie mehr in ihrem Leben gerechnet hätte. Im November brachte sie ein kleines Mädchen zur Welt – sie, Anna Pippel, die fest daran geglaubt hatte, nie ein eigenes Kindlein in den Armen halten zu können, wurde Mutter. Und
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