Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
bestrafen wollen. Man hat ihn davon abgehalten, das hat ihn wütend gemacht. Wütend ist nicht gut. Vergessen wird er nie.«
»Dann muss man ihn töten. Töte ihn, bevor er mich umbringt.« Anna wusste, dass sie sehr weit ging, wenn sie das von diesem unberechenbaren Menschen verlangte.
»Man wird ihn nicht umbringen. Man wird versuchen, die Frau zu beschützen.«
»Wann ist er hier?«
»Die Frau kann weiterschlafen. Er ist erst morgen hier.«
»Danke.«
Und dann ging er.
Es war nicht gleich am nächsten, sondern am übernächsten Tag, dass Anna von »seiner« Ankunft erfuhr. Sie musste sich nicht lange umhören, denn er machte mehr als deutlich auf sich aufmerksam.
Ingrid Björnsen war die Frau eines schwedischen Soldaten. Zusammen hatten sie sich, nachdem ihr Mann im Krieg beide Arme verloren hatte, in dem bayerischen Dorf niedergelassen. Sie wurden geduldet, weil sie ruhige und friedliebende Menschen waren. Ihr Mann, Harald, war im Juli an der Pest gestorben, ebenso drei ihrer Kinder. Allein der älteste Sohn war Ingrid geblieben, und dieser hatte seine Mutter dann auch gefunden. Sie hing an einem Kirschbaum, die Kehle durchtrennt, mit einem Hündchen an ihren Fuß gebunden.
Annegret Birchler war eine der Letzten, die aus der ursprünglichen Dorfgemeinschaft übrig geblieben waren. Sie war eine etwa sechzigjährige Frau, von der es hieß, man habe sie als Kind zu heiß gebadet. Gretel ging, ob es regnete, schneite oder die sonne vom Himmel schien, immer barfüßig und Selbstge-spräche führend durch den Ort. Sie störte sich an nichts und niemandem, und niemand störte sich an ihr. Nicht einmal die Plünderer und Marodeure hatten der kauzigen Alten je ein Leid zugefügt.
Nun war das anders. Die Birchler Gretel fand man auf dem ausgebrannten Dachboden eines Bauernhauses in luftiger Höhe, an dem einzig verbliebenen, rußgeschwärzten Balken hängend – auch sie mit durchtrenntem Hals und einem ebenfalls strangulierten Hündchen an ihren Füßen.
Kassandra war ein Zigeunermädchen, erst vierzehn Jahre alt. Doch ihr Alter sah man ihr nicht an. Ihre Eltern und die gesamte Sippschaft hatte man der Menschenfresserei beschuldigt, sie waren gejagt und getötet worden. Ein schreckliches Schauspiel, welches sich im August zugetragen hatte. Dem Mädchen hingegen hatte man kein Haar gekrümmt. Sie lebte nun am see in einer alten Fischerhütte und empfing dort Besuch von verschiedenen Männern der Umgebung. Einer dieser Männer entdeckte sie dann auch: Man hatte sie am Knauf ihrer Tür erhängt und auch ihr die Kehle durchtrennt. Das Hündchen an ihrem Fuß war schneeweiß und wimmerte.
Trine Helmer und Vera Krummbein waren zwei Trosshuren, die keine Lust mehr gehabt hatten, ihrer Bagage zu folgen. Sie stammten aus einem der vielen kaiserlichen Heere, die in der letzten Zeit das Land durchquert hatten. Beide waren sie zu alt und zu hässlich geworden, um erfolgreich ihrem Gewerbe nachzugehen. Und auch hier im Dorf wollte niemand etwas von ihnen wissen. Man mied die »dreckigen Luder«, und so war es auch ein Zufall, dass man sie noch am Tage ihrer Ermordung fand. Sie hingen im Hinterhof der kleinen Kate, in der sie hausten, an einem Giebel, der ursprünglich zum Ziegenstall gehört hatte. Auch sie beide mit zerschnittenem Hals und jeweils einem Hundekind an den nackten Füßen.
Fünf an nur einem Tag. Davon erfuhr das ganze Dorf und natürlich auch Anna, Andreas und Hans Mergel. sie waren erschüttert. Denn während man im Dorfe die schuld bei verschiedenen Marodeuren suchte, wussten die drei nur allzu gut, wessen Handschrift diese Taten trugen.
»Ich werde hier alles Mannsvolk zusammenrufen und die Sau suchen gehen. Du, Hans, gehst zum Tross und trommelst auch dort eine Armee zusammen. Die müssen doch langsam selbst genug von diesen unglaublichen schelmenstücken haben.« Andreas war endgültig entschlossen zu handeln. »Und Anna werde ich jetzt umgehend von hier fortbringen. Ich kenne da in Augsburg eine Dame, bei der du gut aufgehoben bist. Wenn wir uns beeilen und uns vom Leitner Josef zwei Pferde borgen, bin ich vielleicht morgen wieder zurück, und wir können damit beginnen, dem Spuk ein für alle Mal ein Ende zu bereiten.«
Anna war nicht begeistert von dieser Idee.
»Er ist es nicht, glaub mir doch endlich. Da ist ein Zweiter. Und dieser Zweite ist der Mörder. Nicht er, nicht der Einäugige.« Und Anna erzählte von den weiteren Besuchen ihres ungebetenen Helfers.
Andreas war aufgebracht,
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