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Des Teufels Werk

Titel: Des Teufels Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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verwunderlich, dass ich seinen Namen nicht wisse, wo mir das Gesicht so deutlich in Erinnerung sei.
    »War es dieser Mann?«, fragte sie jetzt.
    Ich starrte auf meine Hände hinunter.
    »Wer ist das? Weshalb sollte er nach Ihnen suchen?« Als ich nichts sagte, nahm sie das schnurlose Telefon und hielt es mir hin. »Rufen Sie die Polizei an – ich gebe Ihnen die Nummer der zuständigen Dienststelle. Dann verlangen Sie Steve Banks. Das ist unser Dorfpolizist, das hier ist sein Revier. Er ist ein netter Kerl.« Sie legte den Hörer vor mir auf den Tisch. »Sie haben eine Minute. Wenn Sie dann nicht angerufen haben, rufe ich selbst an.«
    Ich zog das Telefon zu mir heran und drückte es an die Brust. »Das wäre sinnlos. Ich habe niemanden gesehen.«
    »Warum erzählen Sie mir dann so eine Geschichte? Warum sperren Sie sich hier ein?«
    »Sie wären nicht gekommen, wenn ich gesagt hätte, dass ich mich ohne Grund eingesperrt habe.«
    Sie drehte den Wasserhahn auf und hielt den Kessel darunter. »Sie schauen echt scheiße aus«, sagte sie streng. »Wollen Sie raufgehen und sich erst mal ein bisschen beruhigen? Ich mache inzwischen Kaffee. Die Hunde sperre ich im hinteren Zimmer ein, damit Sie nicht gleich eine Panikattacke bekommen, wenn Sie ihnen begegnen.« Sie sah mich mit dem ihr eigenen scharfen Blick an, während sie den Wasserkocher einschaltete. Dann ging sie zur Korridortür. »Und verfallen Sie jetzt bloß nicht in Selbstmitleid. Wenn Sie länger als eine halbe Stunde brauchen, bin ich weg – und komme auch nicht wieder. Ich
hasse
weinerliche Frauen.«

    Verleugnen ist etwas Großartiges. Man kommt ganz prima damit durch, wenn man ›nein‹ sagt. Riskant wird es, wenn man ›ja‹ sagt. Ja, ich hätte den Job gern. Ja, ich gehe nach Bagdad. Ja, ich weiß, wer mich entführt hat. Ja, ich kann MacKenzie identifizieren. Ich hatte eine Großtante, die hat bei allem immer ›nein‹ gesagt. Sie ist mit achtundneunzig in jungfräulicher Unschuld gestorben, und ihr Tod war das Interessanteste an ihr. Kurz bevor sie starb, sagte sie: »Was habe ich mir eigentlich gedacht?«, und seither machen wir uns Gedanken darüber.
    Jess hatte Recht, ich sah wirklich scheiße aus. Gerötete Augen und eingefallenes Gesicht – man hätte mich glatt für eine achtundneunzigjährige alte Jungfer halten können. Während ich mir das Gesicht wusch und die Haare bürstete, fragte ich mich, was
ich
mir eigentlich dachte. Ich hatte seit meiner Ankunft hier kaum eine Zeile geschrieben – außer E-Mails an Alan und Dan –, und die einzigen Menschen, mit denen ich regelmäßig sprach, waren meine Eltern, Jess und Peter. Tagsüber surfte ich im Internet und recherchierte über Psychopathen und Perverse. Nachts träumte ich von ihnen.
Der Stalker – die verschiedenen Typen: Der wahnhafte Stalker ist häufig mit einer Geistesgestörtheit belastet, die bei ihm den Wahn hervorruft, sein Opfer sei in ihn verliebt. Der rachsüchtige Stalker – der gefährlichste Typ – sucht Rache 

    Der sadistische Vergewaltiger – will eine Frau mit Mitteln der Gewalt grausam bestrafen. Das Opfer steht meistens nur stellvertretend für den, dem seine Wut eigentlich gilt. Er geht im Allgemeinen sehr überlegt vor und plant die Taten präzise. Die Opfer erleiden häufig schwerste seelische und körperliche Verletzungen und werden in vielen Fällen getötet 

    Der Folterer – lässt seine Opfer grausamste seelische und körperliche Schmerzen erleiden, sei es um sie zu bestrafen, sei es um ihnen Informationen abzupressen. Dazu kann gehören, dass er ihnen die Augen verbindet; sie zwingt, bis zum Umfallen zu stehen oder in der Hocke zu sitzen; sie dem Tod durch Ertrinken oder Ersticken nahe bringt, indem er ihnen entweder den Kopf unter Wasser drückt oder eine Plastiktüte über den Kopf zieht; sie vergewaltigt 

    Als John Donne schrieb, ›kein Mensch ist eine Insel, die für sich allein bestehen kann‹, kann er von echten Introvertierten wie Jess oder Soziopathen wie MacKenzie nichts gewusst haben. Solche Menschen mögen in sozialen Gemeinschaften leben – wenn auch an ihren Rändern –, aber ihre innere Zurückgezogenheit, ihre Verschlossenheit und ihre Gleichgültigkeit gegenüber der Meinung anderer bedeuten, dass sie dem ›Kontinent‹ der Menschheit allenfalls halb angehören. Wenn sie sich mit uns anderen überhaupt einlassen, dann zu ihren Bedingungen, nicht zu unseren.
    MacKenzie war durch die Isolation zur Grausamkeit getrieben

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