Des Teufels Werk
anderes.
»Nein. Mir gefiel die Vorstellung, dass Madeleine zum ersten Mal in ihrem Leben die Rolle der Dienerin spielen würde.«
Ich bin sicher, dass ich an diesem Punkt alle Versuche aufgab, Jess zu verstehen. Ich hatte eine Menge Fragen, vor allem hätte ich gern gewusst, warum sie die enge Verbindung zu Lily aufrechterhalten hatte, aber statt zu fragen, sagte ich nur ganz banal: »Nun, Sie sind ja heil davongekommen.«
»Ja«, antwortete sie, den Blick kritisch auf Nathaniels Bild gerichtet. »Aber
er
nicht. Manchmal tut er mir richtig Leid. Er kam immer wieder mal auf den Hof und wollte die Uhr zurückdrehen, aber seit ich ihm gesagt habe, dass ich ihm den Schwanz abschieße, wenn er das noch mal versucht, hat er sich nicht mehr blicken lassen.« In ihren Augen blitzte Erheiterung.
Sie konnte einen wirklich immer wieder überraschen. »Weiß Madeleine von diesen Besuchen?«
»Das glaube ich nicht«, sagte Jess gleichgültig. »Die beiden reden ja kaum noch miteinander. Darum möchte sie ja auch das Haus hier. Auf diese Weise wird sie ihn am besten los. Sie hätte ihn längst abgeschoben, wenn Lily nicht gegen eine Scheidung gewesen wäre.«
»Warum hat Madeleine denn überhaupt mit ihr darüber gesprochen?«
»Hat sie nicht. Das war ich.«
Natürlich, dachte ich bei mir, wer sonst. »Keine schlechte Rache.«
»Ich habe es nicht aus Rache getan. Ich habe es wegen Lily getan. Madeleine hätte sie umgebracht oder in das billigste Heim gesteckt, das sie auftreiben konnte, wenn Lily ihr nicht die Vollmacht entzogen hätte. Sie würde Lily ohne mit der Wimper zu zucken ein Kissen aufs Gesicht drücken, wenn sie nicht den Anwalt fürchten müsste. Sie wird eine schwerreiche Frau sein, wenn sie das Haus erbt – nur Nathaniel und den Sohn muss sie vorher noch loswerden.«
Keine Frage, Jess war meine Beschützerin. Als sie keine zehn Minuten nach meinem Anruf den Weg zum Haus heruntergebraust kam, war das ein wenig so, als stürmte der Ritter ohne Furcht und Tadel auf weißem Ross zu meiner Rettung herbei. Es fehlte allerdings etwas an galanter Liebe und Fürsorge. Als ich die Hintertür aufsperrte, jagten die Hunde hinter ihr herein, und sie fuhr mich gereizt an, als ich erschrocken zurückwich. »Ich nehm's doch nicht allein mit einem Einbrecher auf«, zischte sie, den Mastiffs in die Küche folgend. »Warten Sie hier.« Ich hörte das Klappern des Schlüssels, als sie die Tür zum Flur aufsperrte, dann das Geräusch der grün bespannten Schwingtür, die hinter ihr und den Hunden zufiel.
Erst als sie fünf Minuten später allein zurückkam, bemerkte ich, dass sie ein Gewehr bei sich hatte. Sie legte es auf den Tisch. »Alles in Ordnung. Sieht nicht nach einem Einbruch aus. Ich habe die Hunde im Vestibül gelassen. Also, was war los?«
Ich weiß nicht mehr, was ich sagte, außer dass ich wiederholte, ich hätte am Abend vorher den Eindruck gehabt, es wäre jemand im Garten. Die Wahrheit war zu kompliziert, und ich war zu müde, um mir einen Weg durch das Minenfeld der Enthüllungen zu suchen. Jess war unbeeindruckt. »Warum haben Sie nicht die Polizei gerufen? Dazu sind die doch da.«
»Ich weiß auch nicht.« Ich sank wie ein Häufchen Elend in der Ecke zusammen. »Ich habe nicht daran gedacht.«
Sie beugte sich ungeduldig zu mir herunter und riss mich in die Höhe. »Seien Sie nicht so verdammt jämmerlich. Zeigen Sie ein bisschen Mumm«, schimpfte sie und stieß mich auf einen Stuhl. »Ich weiß doch, dass Sie welchen haben.«
Es hätte mich interessiert, ob sie Nathaniel auch so behandelt hatte. Wenn ja, war es kaum verwunderlich, dass er Madeleines einschmeichelnder Art den Vorzug gegeben hatte. Ich weiß nicht, was ich von ihr erwartet hatte – Anteilnahme und ein wenig Wärme vielleicht –, aber der Gedanke, dass sie Angst haben könnte, kam mir gar nicht. Dabei hätte ich wissen müssen, dass mein Gerede von einem Fremden im Garten sie auf direktem Weg zu MacKenzies Foto führen würde.
Ich hatte Fragen erwartet, als sie für mich an der Herstellung eines brauchbaren Kopfbilds gearbeitet hatte. Aber abgesehen davon, dass sie den Namen des Mannes wissen wollte und den Grund für die Ausarbeitung des Fotos, hatte sie keine gestellt. Sie saß am Computer in ihrem Zimmer, ich neben ihr, und schien ganz zufrieden mit den Antworten, die ich ihr gab – dass der Mann jemand sei, den ich vom Sehen kannte, und dass er in Afrika wegen Passfälschung gesucht werde. Sie sagte lediglich, sie finde es
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