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Des Teufels Werk

Titel: Des Teufels Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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veranlasst hatte, im Brunnen, der sich unter mir befand, nach Wasser zu suchen. Er war ausrangiert und seit langem überflüssig, und ich wusste nur deshalb, dass es ihn gab, weil Jess ihn mir gezeigt hatte. Sie hatte erzählt, dass es vor dem Anschluss von Barton House an die öffentliche Wasserversorgung Aufgabe ihrer Großmutter gewesen war, Wasser aus dem Brunnen zu holen und heiß zu machen, wenn jemand von der Familie ein Bad nehmen wollte. Konnte die geistige Verwirrung Lily fünfzig Jahre zurückversetzt und zum Wasserholen in die Kälte hinausgesandt haben?
    Das Schicksal hat eine merkwürdige Art, uns vorwärts zu treiben. Ich war in diesem Augenblick der Lösung des Rätsels um Lily sehr nahe und kam ihr noch näher, als Gedanken an heiße Bäder mich daran erinnerten, dass ich seit meiner Ankunft den Ölstand nicht mehr geprüft hatte. Ich sagte mir, das könne ich auch gleich tun, da ja die Tür direkt hinter mir war. Vielleicht wollte ich auch nachsehen, ob Jess die Schlüssel zur Spülküche wieder an den Haken hinter dem Tank gehängt hatte. Jedenfalls lehnte ich die Axt an den Türpfosten und zog die Tür auf.
    Die Sonne hing tief über dem Horizont, aber das Licht reichte mir noch, um den Tank in der Hütte zu erkennen. Die Anzeige konnte ich allerdings nicht mehr ablesen. Ich tastete nach einem Lichtschalter und riss dabei ein dünnes Bündel kleiner Zettel aus Durchschlagpapier herunter, das mit einer Heftzwecke an einem Holzpfosten befestigt war. Die Papiere flatterten in alle Richtungen auseinander, aber nachdem ich den Lichtschalter gefunden hatte, konnte ich sie alle wieder einsammeln. Es waren irgendwelche Quittungen vom Öllieferanten. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie wichtig waren, eine stammte aus dem Jahr 1995, aber da die Heftzwecke nicht mehr aufzufinden war, steckte ich das Bündel vorsichtshalber ein, um es mit ins Haus zu nehmen.
    Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass der Ölstandsmesser mehr als halb voll anzeigte und dass an dem Haken hinter dem Tank keine Schlüssel hingen, machte ich das Licht wieder aus. Aber entweder konnten meine Augen sich aus irgendeinem Grund nicht umstellen oder es war in den wenigen Minuten, seit ich eingetreten war, Nacht geworden. Ich konnte jedenfalls kaum die Hand vor dem Auge erkennen. Als ich hergekommen war, war es noch sonnig gewesen, doch nun herrschte im Garten eine Dunkelheit wie im Reich der Schatten.
    Mit zitternden Händen packte ich die Axt und machte mich auf den Weg. Im selben Moment ging in der Küche die Deckenbeleuchtung an, und ich sah Jess am Fenster vorübergehen. Ich war erleichtert, bis ich im erleuchteten Glas gespiegelt die hellen Hundefelle schimmern sah und begriff, dass die Tiere sich zwischen mir und dem Haus befanden. Erschrocken wich ich zurück und tastete nach dem Riegel des Anbaus.
    Mastiffs konnten außerordentlich schnell sein. Sie wären bei mir, ehe ich durch die Tür geschlüpft wäre. Ich bezweifle, dass ich fähig gewesen wäre, die Axt zu gebrauchen, wenn sie mich angegriffen hätten – mir wäre gar nicht die Zeit dazu geblieben –, aber ich hob sie schon mal in Schulterhöhe, um bereit zu sein. Im Angesicht dieser sichtbaren Bedrohung gelang es mir zum ersten Mal seit Wochen, etwas Mut zu zeigen.
    »Runter!«,
befahl ich scharf.
»Sofort!
Oder ich schlag euch die Scheißschädel ein.«
    Vielleicht ist der Blick das Entscheidende. Vielleicht sahen sie die ernste Absicht in meinem, denn sie kuschten tatsächlich vor mir. Jess behauptete später, dazu seien sie von ihr erzogen worden, aber ihre Unterwerfung erfolgte so prompt, dass ich die Axt senkte. Ich hätte ein Patt von unabsehbarer Dauer akzeptiert, wenn nicht einer von ihnen sich in Bewegung gesetzt hätte, um mir entgegenzurobben.
    Flüchtig dachte ich daran, Jess zu rufen, aber ich wollte die Hunde nicht durch laute Geräusche unruhig machen, deshalb beschloss ich, mich auf Augenhöhe mit ihnen zu begeben, indem ich mich niedersetzte. Ich kann das nur mit Instinkt erklären, denn ich strahlte zweifelsfrei mehr Autorität aus, wenn ich stehen blieb. Ich weiß, dass ich dachte, ich würde weniger ängstlich wirken, wenn ich, die Tür des Schuppens im Rücken, wie ein Fels in der Brandung vor ihnen säße.
    So fand Jess mich zehn Minuten später, zitternd vor Kälte, die Beine gekreuzt, drei wuchtige Schnauzen in meinem Schoß und zwei Rüden rechts und links lässig an meine Schultern gelehnt. Ich weiß nicht mehr, was ich zu ihnen sagte,

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