Des Teufels Werk
Burns hat heute Nachmittag um fünfzehn Uhr ihr Zimmer bezahlt.«
»Hat sie hinterlassen, wohin sie wollte – hat sie mir vielleicht eine Nummer hinterlassen?«
»Darf ich fragen, wer Sie sind, Madam?«
»Connie Burns, ihre Tochter.«
»Ich frage nach.« Wieder wartete ich. »Tut mir Leid, Ms. Burns. Es sind keine Nachrichten da. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
»Nein – oder doch«, korrigierte ich mich sofort. »Ist meine Mutter abgeholt worden?«
»Das weiß ich nicht.«
»Können Sie es feststellen?«
»Wir sind ein großes Haus, Ms. Burns. Hier ist immer viel Betrieb. Wir können nicht auf jeden einzelnen Gast achten.«
»Können Sie dann vielleicht feststellen, ob meine Mutter in ihrem Zimmer angerufen wurde? Und wenn ja, woher der Anruf kam? Ich verstehe nicht, warum sie ausgezogen ist.«
»Tut mir Leid«, sagte der Mann wieder mit diesem Pseudobedauern. »Private Auskünfte über unsere Gäste können wir nicht geben. Soll ich eine Notiz machen, dass Sie angerufen haben, für den Fall, dass Ihre Mutter zurückkommt?«
Ich lehnte dankend ab und machte Schluss. Noch einmal versuchte ich es in der Wohnung und auf dem Handy meines Vaters. Diesmal hinterließ ich zwei kurze Nachrichten, die nicht mehr besagten als »Bitte ruf mich an«, und schickte ihm dann noch eine SMS: ›Wo bist du? Was ist los? Mam ist ausgezogen. Mache mir Sorgen. C.‹ Ich hoffte, er würde daran denken, mich auf dem Festnetz anzurufen, aber als ich die Speicherleiter wieder hinunterstieg, legte ich vorsichtshalber mein Handy auf den Rahmen der offenen Falltür. Dort hatte es noch Empfang, wenn ich auch wenig Hoffnung hatte, es zu erreichen, bevor die Mailbox sich einschaltete. Trotzdem war es einen Versuch wert.
Natürlich vermutete ich, dass MacKenzie irgendwie die Hand im Spiel hatte – ich fühlte mich viel zu sehr von ihm verfolgt, um das nicht zu tun –, ich verstand nur nicht, weshalb das zum Auszug meiner Mutter aus dem Hotel geführt hatte. Woher hätte er wissen können, wo sie sich aufhielt? Mein Vater hätte es ihm nie im Leben gesagt, der hätte sich lieber jeden Fingernagel einzeln ausreißen lassen, als meine Mutter in Gefahr zu bringen. Und warum sollte MacKenzie überhaupt danach fragen? Warum sich mit meiner Mutter abgeben, wenn er doch hinter mir her war? Es ergab keinen Sinn.
Ich versuchte mir einzureden, wahrscheinlicher wäre, dass meine Mutter ihre eigene kleine Meuterei inszeniert und beschlossen hatte, in ihre Wohnung zurückzukehren. Aber warum gingen sie dann nicht ans Telefon? Ich blieb unschlüssig im Treppenflur stehen und überlegte, was ich tun sollte. Ein, zwei Stunden warten für den Fall, dass sie zum Essen ausgegangen waren? Mit Alan Collins Verbindung aufnehmen? Auf dem zuständigen Polizeirevier anrufen und bitten, bei meinen Eltern vorbeizuschauen? Nicht einmal Alan würde mich ernst nehmen. Nur eine Verrückte kommt auf die Idee, ihre Eltern bereits nach einer halben Stunde erfolgloser Bemühungen, sie zu erreichen, vermisst zu melden.
Obwohl ich sicher war, dass mein Handy klingeln würde, sobald ich außer Hörweite war, ging ich nach unten, um nachzusehen, ob meine Mutter vielleicht eine E-Mail geschickt hatte. Hatte sie nicht. Seit Donnerstag war nichts Neues eingegangen. Ich hörte den Anrufbeantworter ab, vielleicht hatte ich ja einen Anruf verpasst, aber die Nachrichten, die er mir vorspielte, kannte ich alle schon. Sicherheitshalber rief ich noch einmal in dem Hotel an, in dem meine Eltern vorher gewohnt hatten, hörte aber nur, dass Mr. und Mrs. Burns am Vortag in der Früh abgereist waren. Ich versuchte es sogar im Büro meines Vaters, obwohl ich wusste, dass sich da an einem Samstagabend um acht kein Mensch melden würde.
Angeblich kann unser Gehirn fünfzigtausend Gedanken am Tag verarbeiten. Ich habe keine Ahnung, ob das stimmt oder wie man Gedanken überhaupt zählt, aber ich weiß, dass unerträgliche Ängste entstehen, wenn man in einem Zustand völliger Ungewissheit versucht, Ereignisse vorauszuahnen. Es spielt keine Rolle, wie oft man sich versichert, dass ›keine Nachricht‹ eine ›gute Nachricht‹ ist, die eigene Fantasie wird immer das Schlimmste annehmen. Und am Ende stimmt der Instinkt mit der eigenen Erfahrung überein, die da lautet: Es kann immer etwas passieren.
Auszüge aus Aufzeichnungen unter dem Aktenzeichen ›CB15 – 18/05/04‹
… Ich glaube, es waren drei Hunde und vermutlich Schäferhunde, weil ich solche Hunde bei MacKenzie in
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