Des Teufels Werk
wäre ich an diesem Abend lieber jedem Gespräch mit ihm aus dem Weg gegangen, weil mir klar war, dass es am Ende nur in Brüllerei ausarten würde, doch ich fühlte mich verantwortlich dafür, dass er so weit gegangen war. In meiner Angst, dass meine Festnetznummer bei ihm als letzter Anruf gespeichert werden würde, wählte ich, um sie zu unterdrücken, die 141 vor. Erst als ich die Ansage hörte, fiel mir wieder ein, dass Anrufe von unterdrückten Nummern aus nicht durchgingen. Ich versuchte, ihn auf seinem Handy zu erreichen, aber da rührte sich nichts.
Es gab nur zwei Möglichkeiten – entweder ich rief noch einmal ohne die 141 unter seiner Festnetznummer an, oder ich benutzte mein Handy. Bei dem Gedanken an die erste Möglichkeit sträubten sich mir sämtliche Nackenhaare. Ich rechnete zwar nicht damit, dass MacKenzie in der Wohnung sein würde, hatte aber trotzdem eine Riesenangst, damit irgendeine Spur zu hinterlassen. Wenn ich mit dem Handy telefonierte, gab es wenigstens keine Ortsvorwahl und keinen Hinweis darauf, dass ich aus Dorset anrief.
Als Nächstes musste ich entscheiden, ob ich Jess' Pyramide oben im hinteren Zimmer, die ich abgebaut hatte, als der Breitbandanschluss installiert wurde, wieder aufstellen oder lieber in den Speicher hinaufklettern sollte. Ich entschied mich für den Speicher, weil das die bequemere Lösung war, und machte mich auf die Suche nach der Hakenstange, mit der man den Riegel an der Falltür öffnete. Ich fand sie hinter der Tür im nächstgelegenen Zimmer, und als ich sie hervorholte, sah ich, dass sie eine gute Waffe abgeben würde. Es war eine Konstruktion Marke Eigenbau aus zwei kräftigen Holzstangen, die man zur besseren Aufbewahrung auseinander nehmen konnte. Am einen Ende war der Haken angebracht, am anderen eine dicke Schraube.
Jess hätte gleich gesagt, das Ding sei nicht schwer genug, aber es gab mir Anstoß, darüber nachzudenken, was es sonst noch im Haus gab – die Axt im Holzschuppen – Rechen, Schaufeln, Mistgabeln im Geräteschuppen – ein Hammer in der Spülküche – leere Weinflaschen, die zu schneidend scharfen Knüppeln umfunktioniert werden konnten. Dass mir das alles nicht schon früher eingefallen war, ließ sich eigentlich nur damit erklären, dass ich von Anfang an vorhatte, durch den nächstbesten Weg nach draußen zu flüchten und mir ein Versteck zu suchen.
Peter führte das darauf zurück, dass MacKenzie meinen Kampf- oder Fluchtinstinkt manipuliert hatte. Schlicht gesagt, ich war dazu konditioniert worden, mich zu unterwerfen statt aufzulehnen, aber damit ist nicht erklärt, wieso ich in einem meiner Träume, der mit grausamer Plastizität immer wiederkehrte, MacKenzie brutal zu Tode prügelte. Das Verlangen, ihn zu töten, war immer da.
Vielleicht muss Angst Schritt für Schritt bewältigt werden. Vielleicht muss der Geist erst wieder heil sein, bevor er von einem Reflex auf den nächsten umspringen kann. Vielleicht müssen wir alle erst die Verachtung einer Jess Derbyshire zu spüren bekommen, ehe wir uns daran erinnern, dass kämpfen möglich ist. Wer weiß? Ich weiß nur, dass mich eine neue Entschlossenheit vorantrieb, als ich die Leiter zum Speicher hinaufstieg.
Der Dachboden nahm die ganze Länge des Hauses ein. Neben der Falltür fand ich einen Lichtschalter für eine Reihe von Glühbirnen, die von den Dachbalken herabhingen. Ungefähr die Hälfte von ihnen war kaputt, aber die restlichen spendeten noch genug Licht, um die Düsternis zu erhellen. Über die Trägerbalken war ein Bretterweg gelegt, um die Begehung zu erleichtern, allerdings musste ich mich erst an zwei Kaminen vorbeilavieren, ehe ich einen halbwegs brauchbaren Empfang bekam. Der ganze Speicher war staubig und voller Spinnweben, und gelegentliches Huschen und Flattern unter den Schrägen verriet mir, dass mir Mäuse und Fledermäuse Gesellschaft leisteten.
Der ganze Aufwand war, wie sich herausstellte, vergebene Liebesmüh. Ich erreichte meinen Vater weder unter der Festnetznummer noch auf seinem Handy. Anstatt Nachrichten zu hinterlassen, kramte ich den Zettel von Jess heraus und rief die Nummer des Hotels an, in dem meine Mutter jetzt wohnte, aber als ich darum bat, mit Marianne Burns verbunden zu werden, wurde mir mitgeteilt, sie sei ausgezogen.
»Sind Sie sicher?«, fragte ich überrascht. »Heute Morgen hat sie auf jeden Fall noch bei Ihnen gewohnt. Mir wurde diese Nummer gegeben.«
»Einen Augenblick.« Ich wartete. »Ja, es stimmt schon, Mrs. Marianne
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