Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Des Teufels Werk

Titel: Des Teufels Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
Vom Netzwerk:
Schultern. »Nicht unbedingt – kommt darauf an, wie lange Sie sich noch von diesem Psycho tyrannisieren lassen wollen.«
    Ich überließ es ihr, die Lieferscheine zu sortieren, und ging aus der Küche. Auf dem Weg nach oben dachte ich darüber nach, ob wir uns auch hätten anfreunden können, wenn wir einander unter anderen Umständen begegnet wären, und kam zu dem Schluss, dass ihre kompromisslose Art mich sehr schnell vertrieben hätte, wenn sie sich beispielsweise bei irgendeinem mehr oder weniger offiziellen Anlass – wobei ich mir da allerdings höchstens ein Interview vorstellen konnte – auf ein Gespräch mit mir eingelassen hätte. Doch je besser ich sie kennen lernte, desto besser verstand ich, dass ihr nicht daran lag zu zensieren, sondern vielmehr beim anderen das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wachzurütteln.
    Sie tat es ungeschickt, mit schroffen, kurzen Worten, die häufig einem lang ausgedehnten Schweigen folgten, und die Ansichten, die sie äußerte, konnten kränkend grob sein, aber es steckte kein Funken Bosheit in ihr. Ganz im Gegensatz zu Madeleine, dachte ich, als ich das Ende der Treppe erreichte und mein Blick auf die Fotografie am anderen Ende des Flurs fiel. Von ihr hatte ich vor zwei Tagen eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter gehabt, die voll übertriebener Emphase, versteckter Andeutungen und Boshaftigkeit gewesen war. Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, die Frau zurückzurufen.
    »Marianne – Madeleine Harrison-Wright hier. Ich wollte Sie schon seit
Ewigkeiten
anrufen. Peter hat mich ausgeschimpft« – ein neckisches Lachen –, »wegen Jess. Er meint, ich hätte zu viel geredet, ich hätte nicht so aus der Schule plaudern dürfen. Ich bitte um Entschuldigung.
Ehrlich!
Es ist manchmal nicht einfach, den richtigen Kurs einzuschlagen.« Eine Pause. »Zum großen Teil war es natürlich Mamis Schuld – es ist nicht fair, mit den Gefühlen anderer zu spielen, ihnen erst Zuneigung vorzumachen und ihnen dann zu zeigen, wie sehr sie einen langweilen. Das führt auf die Dauer immer zu Problemen.
Trotzdem
– ich habe mehr gesagt, als ich hätte sagen sollen. Können Sie mir verzeihen? Peter hat vor, ein paar Leute zum Abendessen einzuladen, wenn ich nächste Woche komme. Werde ich Sie dort sehen?« Ihre Stimme verklang in einem kleinen Lachen. »Ich glaube, ich bin unterbrochen worden – ich kann mit diesen Maschinen einfach nicht umgehen. Rufen Sie mich zurück, wenn mein Erguss zu diffus geblieben ist. Meine Nummer ist …«
    Ich fand ihren Erguss glasklar. Grob übersetzt bedeutete er: Peter und ich sind so vertraut miteinander, dass er a) über seine Patienten mit mir spricht; b) mich ausschimpfen darf; c) mir erzählt hat, was Sie mit ihm gesprochen haben; und d) vorhat, mich mit einem Abendessen bei sich zu Hause zu verwöhnen, Sie aber nicht einladen wird. Während ich mich anstandshalber dafür entschuldige, ›aus der Schule geplaudert‹ zu haben, weise ich gleichzeitig darauf hin, dass alles, was ich bei unserem Zusammentreffen gesagt habe, wahr ist. Jess hat schwere Probleme. P. S. Ich weiß genau, wie man mit diesen Maschinen umgeht, aber ich finde, es ist reizvoller, zu lachen und so zu tun, als wüsste ich es nicht.
    Ich fragte mich wieder, was für eine Rolle Peter eigentlich spielte. Standen er und Madeleine einander wirklich so nahe, wie sie unterstellte? Und wenn ja, hieß das, dass er Jess hinterging? Was für eine Beziehung bestand zwischen ihm und Jess? Da er während seiner Ehe zweimal fremdgegangen war, fiel es mir nicht schwer, Peter für einen notorischen Schürzenjäger zu halten, aber dass er Jess mit ihrer ärgsten Feindin betrügen würde, das konnte ich mir kaum vorstellen.
    Möglich, dass mein Gehirn bei vollem Magen besser funktionierte, denn als ich jetzt die Fotografie von Madeleine betrachtete, sah ich klar, dass alles Künstlerische daran Jess' Werk war. Die Kulisse. Die Beleuchtung. Der hinreißende Ausdruck von Madeleines Gesicht. Fünfmal weiter gedreht, und die Sonne wäre hinter einer Wolke verschwunden, Madeleines Kinn wäre im Mantelkragen vergraben gewesen, und die Aufnahme wäre eher unheimlich gewesen – eine unkenntliche, in Schwarz gehüllte Gestalt vor einer tobenden See.
    ›Ich habe es nur aufgenommen, um Lily glücklich zu machen …‹
    Aber warum brauchte eine Mutter eine Fotografie von ihrer Tochter, auf der diese hübsch aussah? Waren die anderen Bilder unvorteilhaft? War dies das einzige, das Lily hatte? Ich

Weitere Kostenlose Bücher