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Des Todes Dunkler Bruder

Des Todes Dunkler Bruder

Titel: Des Todes Dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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die unnatürliche Haltung von Angel-keine-Verwandtschaft auf; er stand über einem knienden Mann mit schütterem Haar, der in dem Stapel sorgfältig eingewickelter Päckchen herumstocherte.
    Ich blieb auf der Galerie stehen, um durch das Glas zu spähen. Dort war es, nur drei Meter von mir entfernt. Es sah in der kalten Klarheit der soeben mit der Zamboni geglätteten Eisfläche einfach vollkommen aus. Jeder Juwelier wird Ihnen versichern, dass die richtige Umgebung absolut lebenswichtig ist, und dies – dies war atemberaubend. Einfach vollkommen. Ich war nur ein wenig benommen, fragte mich, ob die Galerie mein Gewicht tragen würde, als könnte ich wie ein Nebelstreif durch das harte Holz nach unten gleiten.
    Selbst von der Galerie aus wusste ich Bescheid. Er hatte sich die Zeit genommen, hatte es richtig gemacht, obwohl es auf dem Causeway so gewirkt hatte, als wäre er nur knapp entkommen. Oder hatte er irgendwie gewusst, dass ich ihm nichts Böses wollte? Und wo ich das Thema sowieso schon zur Sprache bringe, wollte ich ihm wirklich nichts Böses? Wollte ich ihn wirklich in seinen Bau verfolgen und zur Sache kommen, einzig begierig, Deborahs Karriere zu beschleunigen? Selbstver-ständlich glaube ich, dass ich das tun wollte – aber war ich auch stark genug, es durchzuziehen, falls sich die Sache weiterhin so interessant gestaltete? Hier standen wir auf der Eisfläche, an der ich schon so viele vergnügliche und kontemplative Stunden verbracht hatte. War das nicht ein weiterer Beweis dafür, dass dieser Künstler – Entschuldigung, ich meine natürlich Killer – sich auf einer Bahn parallel zu meiner bewegte? Man sehe sich nur das reizende Werk an, das er hier vollbracht hatte.
    Und der Kopf – das war der Schlüssel. Er war mit Sicherheit zu wichtig für das, was er tat, um einfach fortgeworfen zu werden. Hatte er ihn geworfen, um mir Angst einzujagen, damit ich mich vor lauter Grauen, Schrecken und Furcht in Krämpfen wand? Oder hatte er irgendwie gespürt, dass ich genauso empfand wie er? Spürte er vielleicht auch diese Verbindung zwischen uns, oder war es einfach aus einer Laune heraus geschehen? Neckte er mich? Er musste gewichtige Gründe dafür haben, mir diese Trophäe zu hinterlassen. Mich durchströmten so mächtige, betäubende Gefühle – wie konnte er da nichts empfinden?
    LaGuerta tauchte neben mir auf. »Sie haben es ja so eilig«, sagte sie mit leichtem Vorwurf in der Stimme. »Haben Sie Angst, sie könnten Ihnen fortlaufen?« Sie wies mit dem Kopf auf die Leichenteile.
    Ich wusste, irgendwo in meinem Inneren verbarg sich eine schlagfertige Antwort, die sie zum Lächeln bringen, ihr noch ein wenig mehr schmeicheln, mein unbeholfenes Fliehen vor ihrer Umklammerung ausbügeln würde.
    Aber wie ich dort so am Geländer stand und auf die Leiche auf dem Eis im Netz des Tors starrte – in Gegenwart der Größe, könnte man sagen –, brachte ich nichts heraus. Ich schaffte es gerade noch, sie nicht anzubrüllen, sie solle die Klappe halten, aber ich war kurz davor.
    »Ich musste es sehen«, sagte ich ehrlich und erholte mich dann weit genug, um hinzuzufügen, »es ist das Tor der Heimmannschaft.«
    Sie versetzte mir einen spielerischen Klaps auf den Arm.
    »Sie sind schrecklich«, sagte sie. Glücklicherweise kam Sergeant Doakes zu uns herüber, und ihr blieb keine Zeit für ein mädchenhaftes Glucksen, was mehr gewesen wäre, als ich hätte ertragen können. Wie immer schien Doakes mehr als an allem anderen an dem besten Griff interessiert zu sein, mit dem er mich packen und aufschlitzen konnte, und er bedachte mich mit einem so glühenden und durchdringenden Willkommensblick, dass ich mich rasch verdrückte und ihn LaGuerta überließ. Er starrte mir mit einem Ausdruck hinterher, als glaubte er, ich müsse wegen irgendetwas schuldig sein, und als wolle er sehr gern meine Eingeweide näher betrachten, um herauszufinden, was es war. Ich bin sicher, dass er in einem Land, in dem es der Polizei gestattet war, gelegentlich einen Oberschenkel oder ein Schienbein zu brechen, viel glücklicher gewesen wäre. Ich machte mich davon und umkreiste auf der Suche nach einem Zutritt die Eisbahn. Ich hatte ihn gerade entdeckt, als sich mir jemand im toten Winkel näherte und mir hart gegen den Brustkorb schlug.
    Ich richtete mich auf, um meinem Attentäter mit Bluterguss und angestrengtem Lächeln zu begegnen. »Hallo, Schwesterherz«, grüßte ich. »Wie schön, ein freundliches Gesicht zu

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