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Des Todes Dunkler Bruder

Des Todes Dunkler Bruder

Titel: Des Todes Dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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finden. Ich auch nicht. So saß ich mehrere Minuten lang da, sah nach hinten auf die Brücke, spürte die Hitze ihres Beins an meinem und fragte mich, wohin mein schüchterner Freund mit dem Transporter entschwunden war. Aber ein Druck gegen meinen Schenkel riss mich aus meinen stillen Tagträumen.
    Ich sah hinunter auf mein Hosenbein. LaGuerta knetete meinen Schenkel, als wäre er ein Klumpen Teig. Ich schaute hoch in ihr Gesicht. Sie erwiderte den Blick.
    »Sie haben die Leiche gefunden«, sagte sie. »Sie wissen schon. Den Rest, der zu dem Kopf gehört.«
    Ich stand auf. »Wo?«
    Sie sah mich an, wie ein Cop jemanden ansieht, der körperlose Köpfe auf der Straße findet. Aber sie antwortete. »Am Office Depot Center«, sagte sie.
    »Wo die Panthers spielen?«, fragte ich, und ein kleiner, eisiger Schauer durchrieselte mich. »Auf der Eisfläche?«
    LaGuerta nickte, beobachtete mich noch immer.
    »Die Hockeymannschaft«, sagte sie. »Sind das die Panthers?«
    »So nennt man sie, glaube ich«, erwiderte ich. Ich konnte mich nicht beherrschen.
    Sie schürzte die Lippen. »Sie wurde in das Eishockeytor gestopft.«
    »Gast- oder Heimmannschaft?«, fragte ich.
    Sie zwinkerte. »Macht das einen Unterschied?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nur ein Witz, Detective.«
    »Weil ich nicht weiß, wie man sie unterscheidet. Ich sollte jemanden hinzuziehen, der sich mit Eishockey auskennt«, sagte sie, während sie ihren Blick endlich von mir löste und auf der Suche nach jemandem, der einen Puck trug, über die Menge schweifen ließ. »Ich bin erleichtert, dass Sie Witze darüber machen können«, fügte sie hinzu. »Was ist ein –«, stirnrunzelnd versuchte sie sich zu erinnern, »– ein Sambolie?«
    »Ein was?«
    Sie zuckte die Achseln. »Eine Art Maschine. Sie wird auf dem Eis verwendet.«
    »Eine Zamboni?«
    »Was auch immer. Der Typ, der sie fährt, er hat sie heute Morgen auf die Fläche gefahren, um die Vorbereitungen fürs Training zu treffen. Einige Spieler fangen gern früh an. Und sie mögen frisches Eis, deshalb hat der Typ die …«, sie zögerte ein wenig. »Die Samboliemaschine? An Trainingstagen kommt er sehr früh. Und fährt also dieses Ding raus aufs Eis. Und entdeckt diese Päckchen. Im Netz des Tors. Deshalb geht er hin und sieht nach.«
    Sie zuckte wieder die Achseln. »Doakes ist jetzt dort. Er sagt, der Typ wäre so aufgeregt, dass sie nichts Vernünftiges aus ihm herausbekommen können.«
    »Ich kenne mich ein bisschen mit Hockey aus«, merkte ich an.
    Sie sah mich irgendwie schwermütig an. »Ich weiß so wenig über Sie, Dexter. Spielen Sie Hockey?«
    »Nein, ich habe noch nie gespielt«, sagte ich bescheiden.
    »Ich war bei ein paar Spielen.« Sie sagte nichts, und ich biss mir auf die Lippen, um mich nicht zu verquasseln.
    In Wahrheit besaß Rita Dauerkarten für die Florida Panthers, und ich hatte zu meiner großen Überraschung festgestellt, dass mir Hockey gefiel. Es war nicht nur das panische, fröhliche, mordlüsterne Chaos, das ich genoss. In dieser riesigen kühlen Halle zu sitzen entspannte mich irgendwie, und ich wäre auch vergnügt dorthin marschiert, um beim Golf zuzuschauen. Und in Wahrheit hätte ich alles behauptet, damit LaGuerta mich mit zur Eisbahn nahm. Ich wollte unbedingt in die Arena.
    Ich wünschte mir mehr als alles andere, die in das Netz gestopften Körperteile zu sehen, wollte die ordentliche Verpackung abwickeln und das trockene weiße Fleisch betrachten. Ich wünschte es mir so sehr, dass ich mir vorkam wie die Karikatur eines bettelnden Hundes, wollte es so sehr, dass ich selbstgerecht und besitzergreifend empfand, wenn es um die Leiche ging.
    »In Ordnung«, sagte LaGuerta endlich, als ich schon fast dabei war, mich aus meiner Haut zu vibrieren.
    Und sie lächelte irgendwie befremdlich, halb förmlich, halb – wie? Vollkommen anders, irgendwie menschlich, leider entzog es sich meinem Verständnis vollkommen.
    »Das gibt uns Gelegenheit zu einem Gespräch.«
    »Aber nur zu gern«, sagte ich vor Charme sprühend.
    LaGuerta reagierte nicht. Vielleicht hatte sie mich nicht gehört, nicht, dass es wichtig gewesen wäre. Soweit es ihr Selbstbild betraf, fehlte es ihr an jeglichem Gespür für Sarkasmus. Es war möglich, ihr die grauenhafteste Schmeichelei der Welt um die Ohren zu schlagen, und sie würde sie als angemessenes Kompliment entgegennehmen. Es macht keinen Spaß, wenn man sich keine Mühe geben muss. Aber mir fiel nichts anderes ein. Worüber glaubte sie, mit

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