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Des Todes Dunkler Bruder

Des Todes Dunkler Bruder

Titel: Des Todes Dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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der Tatsache, dass eine gut aussehende Frau mich zu Brei schlug. »Er fuhr einen Kühltransporter. Als er den Kopf warf.«
    Sie packte mich bei den Armen und starrte mich an. »Du willst mich verarschen!«, sagte sie schließlich.
    »Ich verarsch dich nicht.«
    »Großer Gott …!«, sagte sie und starrte ins Leere, wo sie zweifellos irgendwo über meinem Kopf ihre Beförderung schweben sah. Und sie wollte vermutlich weitermachen, aber in diesem Moment hob Angel-keine-Verwandtschaft seine Stimme über das Getöse der Echos in der Arena. »Detective?«, rief er und sah hinüber zu LaGuerta. Es war ein seltsamer, unbewusster Klang, der halb erstickte Schrei eines Mannes, der in der Öffentlichkeit nie Lärm veranstaltete, und etwas darin brachte unvermittelt die ganze Halle zum Schweigen. Der Tonfall war halb erschrocken, halb triumphierend – ich habe etwas Wichtiges entdeckt, aber oh-mein-Gott. Alle Blicke richteten sich auf Angel, und er wies mit dem Kopf auf den kauernden, glatzköpfigen Mann, der bedächtig und vorsichtig etwas aus dem obersten Päckchen entfernte.
    Endlich zog er das Ding heraus, fummelte herum und ließ es fallen, so dass es über das Eis schlitterte. Er griff danach, rutschte aus, glitt hinter dem hell glänzenden Ding aus der Verpackung her, bis sie an der Bande zum Halt kamen. Angel griff mit zitternden Händen danach, nahm es und hielt es hoch, damit wir alle es sehen konnten. Die plötzliche Stille im Gebäude war Ehrfurcht gebietend, atemberaubend, schön, wie das überwältigende Tosen des Beifalls bei der Enthüllung eines Meisterwerks.
    Es war der Rückspiegel des Transporters.

11
    D as betäubende, atemberaubende Schweigen dauerte nur einen Moment. Dann nahm das Summen der Gespräche in der Arena eine neue Qualität an, während die Menschen die Hälse reckten, spekulierten, nach Erklärungen suchten.
    Ein Spiegel. Was zum Teufel bedeutete das? Gute Frage. Obwohl mich dieses Ding geradezu aufwühlte, hatte ich nicht sofort eine Theorie über seine Bedeutung zur Hand. Große Kunst wirkt manchmal so. Sie berührt einen, aber man kann den Grund nicht nennen.
    War es tiefer Symbolismus? Eine rätselhafte Botschaft? Eine flehentliche Bitte um Hilfe und Verständnis? Unmöglich zu beurteilen, und für mich auch nicht so wichtig. Ich wollte es nur in mich aufnehmen. Sollten sich doch andere Gedanken darüber machen, wie der Spiegel hierher gelangt war. Vielleicht war er einfach abgebrochen, und er hatte beschlossen, ihn in den nächstbesten Müllbeutel zu werfen.
    Selbstverständlich unmöglich. Und trotzdem konnte ich nicht aufhören, darüber nachzudenken. Der Spiegel war aus einem wichtigen Grund dort. Das waren für ihn keine Müllbeutel. Wie er jetzt mit seinem Eisflächenarrangement so elegant bewies, war die Präsentation ein wichtiger Teil dessen, was er tat. Er vernachlässigte keine Einzelheit. Und darum begann ich darüber nachzudenken, was der Spiegel bedeuten mochte. Ich musste annehmen, dass er ihn, ob nun improvisiert oder nicht, vollkommen bewusst zu den Leichenteilen gelegt hatte.
    Und des Weiteren stieg von irgendwo hinter meinen Lungen das intime Gefühl in mir auf, dass es sich um eine sehr sorgfältige, private Botschaft handelte.
    Für mich?
    Wenn nicht für mich, für wen dann? Der Rest des Schauspiels verkündete der Welt lauthals: Seht, was ich bin. Seht, was wir alle sind. Seht, was ich damit mache.
    Der Rückspiegel eines Lasters gehörte nicht zu dieser Aussage. Das Zerteilen der Körper, das Ausbluten – es war notwendig und elegant. Aber der Spiegel – ganz besonders, wenn sich herausstellte, dass er aus dem Transporter stammte, den ich verfolgt hatte –, das war etwas anderes. Elegant, ja, aber was sagte er darüber aus, wie die Dinge in Wahrheit waren? Nichts. Er war aus einem anderen Grund hinzugefügt worden, und dieser Grund musste eine neue und andere Aussage sein. Der Gedanke elektrisierte mich. Wenn er aus dem Transporter stammte, konnte er nur für mich gedacht sein.
    Aber was bedeutete er?
    »Was zum Teufel soll das bedeuten?«, fragte Deb neben mir. »Ein Spiegel! Warum?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich. Ich spürte noch immer, wie seine Macht mich durchpulste. »Aber ich wette mit dir um ein Abendessen in Joe’s Stone Crabs, dass er aus dem Transporter stammt.«
    »Ich wette nicht«, sagte sie. »Aber das löst zumindest eine wichtige Frage.«
    Ich schaute sie überrascht an. Konnte sie wirklich intuitiv einen Schluss gezogen haben, der mir

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