Des Todes Dunkler Bruder
männlicher und weiblicher Models mit perfekten Frisuren und tropisch leichter Kleidung gespielt. Ihre bohrenden Fragen erschöpften sich in »Was haben Sie empfunden, als der Kopf entdeckt wurde?« und »Können wir Fotos bekommen?«
Ein einsamer Reporter, Nick Soundso vom lokalen NBC-Ableger, fragte LaGuerta, ob sie sicher sei, dass es sich bei McHale um den Killer handelte. Aber als sie erwiderte, die überwältigende Fülle der Beweise weise darauf hin, dass dies der Fall war und das Geständnis sei ohnehin eindeutig, gab er auf. Entweder gab er sich damit zufrieden oder die Wörter waren zu schwer für ihn.
Und so war es denn. Der Fall war abgeschlossen, der Gerechtigkeit Genüge getan. Die mächtige Maschinerie des Verbrechensbekämpfungsapparats der Metropole Miami hatte einmal mehr über die dunklen Mächte triumphiert, die Unsere Kleine Stadt belagerten. Es war eine hinreißende Show. LaGuerta überreichte ein paar wirklich bösartig aussehende Verbrecherfotos von Daryll Earl zusammen mit den Hochglanzaufnahmen von sich selbst, die sie während der Ermittlungen bei einem 250 Dollar die Stunde kostenden Modefotografen in South Beach zeigten.
Es war eine wunderbar ironische Zusammenstellung, das Bild der Bedrohung und die tödliche Realität, so gegensätzlich. Denn wie brutal und derb Daryll auch immer wirkte, die wahre Bedrohung für die Gesellschaft war LaGuerta. Sie hatte die Hunde zurückgepfiffen, das Zeter und Mordio beendet und die Leute zum Schlafen zurück in ein brennendes Gebäude geschickt.
Erkannte ich als Einziger, dass Daryll Earl McHale unmöglich der Killer sein konnte? Dass die Vorgehensweise einen Stil und Esprit verriet, den ein Betonkopf wie McHale nicht einmal erkennen konnte? Ich war nie einsamer gewesen als in meiner Bewunderung für das Werk des wahren Mörders. Mir schienen die Leichenteile ein Gesang, eine Rhapsodie blutleeren Wunders, die mein Herz wärmte und meine Adern mit berauschender Ehrfurcht erfüllte. Aber das stand natürlich nicht im Widerspruch zu meinem Eifer, den wahren Mörder zu fangen, den kalten und schamlosen Henker der Unschuldigen, der unbedingt der Gerechtigkeit übergeben werden musste. Stimmt’s, Dexter? Stimmt’s? Hallo?
Ich saß in meinem Apartment, rieb mir die vom Schlaf verklebten Augen und dachte über die Show nach, die ich soeben gesehen hatte. Sie war so perfekt gewesen wie eine Pressekonferenz ohne Gratisessen und Nackte nur sein konnte. LaGuerta hatte offensichtlich jede Strippe gezogen, die sie jemals in die Hand bekommen hatte, um daraus die größte, spritzigste Pressekonferenz zu machen, die möglich war. Und vielleicht zum ersten Mal in ihrer Gucci-leckenden Karriere war LaGuerta wirklich und wahrhaftig überzeugt, den richtigen Mann zu haben. Sie musste es glauben. Eigentlich wirklich traurig.
Dieses Mal war sie sicher, alles richtig gemacht zu haben. Sie fuhr nicht einfach taktische Manöver. Ihrer Überzeugung nach nahm sie die gebührende Anerkennung für saubere und übersichtliche Arbeit entgegen.
Sie hatte das Verbrechen auf ihre Weise aufgeklärt, den bösen Buben geschnappt, das Morden beendet. Wohlverdienter Beifall für gut gemachte Arbeit. Was für eine reizende Überraschung sie erwartete, wenn die nächste Leiche auftauchte.
Denn ich wusste ohne den Schatten eines Zweifels, dass der Killer noch dort draußen lauerte. Er sah vermutlich die Pressekonferenz auf Channel 7; der Kanal der Wahl für Menschen mit einer Vorliebe für Blutbäder. Im Moment konnte er vor Lachen vermutlich keine Klinge halten, aber das würde sich geben. Und wenn das eintrat, würde sein Sinn für Humor ihn mit Sicherheit veranlassen, einen Kommentar zu der Situation abzugeben.
Aus irgendeinem Grund erfüllte diese Vorstellung mich nicht mit Furcht und Abscheu und der grimmigen Entschlossenheit, diesen Verrückten aufzuhalten, bevor es zu spät war. Stattdessen spürte ich eine gewisse Vorfreude. Ich wusste, wie verkehrt das war, aber das machte es noch schöner. Oh, ich wollte, dass der Killer aufgehalten, vor Gericht gebracht wurde, ja, selbstverständlich – aber musste es schon so bald sein?
Auch stand noch ein kleiner Handel aus. Wenn ich meinen Teil dazu beitragen sollte, den wahren Mörder aufzuhalten, wollte ich zumindest dafür sorgen, dass gleichzeitig etwas Positives dabei heraussprang. Und während ich noch darüber nachdachte, klingelte das Telefon.
»Ja, ich habe es gesehen«, sagte ich in den Hörer.
»Meine Güte«, antwortete
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