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Des Todes Dunkler Bruder

Des Todes Dunkler Bruder

Titel: Des Todes Dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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Gesicht brannte und plötzlich konnte ich meinen Atem hören. Die Stimme erklang erneut, ein weicher Klang tropfte in mein Ohr. Ich drehte mich um, obwohl ich wusste, dass dort niemand stand und es nicht mein Gehör war, sondern mein lieber Freund im Inneren, der von was auch immer und dem Mond geweckt worden war.
    So ein feister, glücklicher, plappernder Mond. Oh, wie viel er zu sagen hatte. Und was ich auch versuchte, um ihm beizubringen, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt war, viel zu früh, dass jetzt andere Dinge zu tun waren, bedeutende Dinge – der Mond wusste eine Entgegnung auf alles und mehr als das. Und obwohl ich länger als eine Viertelstunde dort stand und tapfer widersprach, war es nie eine echte Frage gewesen.
    Ich wurde immer verzweifelter, kämpfte mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln, und als das versagte, tat ich etwas, das mich bis in mein Innerstes erschütterte. Ich rief Rita an.
    »O Dexter«, sagte sie. »Ich … hatte einfach nur Angst … danke für deinen Anruf. Ich …«
    »Ich verstehe«, sagte ich, obwohl ich natürlich gar nichts verstand.
    »Könnten wir … ich weiß nicht, was du … Können wir uns nachher treffen und einfach … Ich würde wirklich gern mit dir reden.«
    »Selbstverständlich«, versicherte ich ihr, und während wir uns zu einem Treffen in ihrem Haus verabredeten, fragte ich mich, was sie wohl im Sinn haben mochte.
    Gewalt? Tränenreiche Beschuldigungen? Lautstarke Beschimpfungen? Ich befand mich auf fremdem Terrain – es konnte alles sein.
    Aber nachdem ich aufgelegt hatte, lenkte mich die Angelegenheit für ungefähr eine halbe Stunde ganz wunderbar ab, bevor die weiche, innere Stimme sich wieder in meinen Verstand schlich und unaufdringlich darauf beharrte, dass der heutige Abend etwas Besonderes werden sollte.
    Ich spürte, wie mich etwas zum Fenster trieb, und da war es wieder, dieses riesige, glückliche Gesicht am Himmel, der kichernde Mond. Ich zog den Vorhang zu und wandte mich ab, kreiste von Raum zu Raum durch meine Wohnung, berührte Gegenstände, redete mir ein, ich prüfte einmal mehr ob etwas fehlte, in dem Wissen, dass alles da war, in dem Wissen, warum ich es tat. Und bei jeder Runde durch die Wohnung näherte ich mich mehr und mehr dem kleinen Schreibtisch im Wohnzimmer, auf dem mein PC stand, wusste, was ich wollte, wollte es nicht, bis nach einer Dreiviertelstunde der Drang endlich zu stark wurde. Ich war zu benommen zum Stehen und ließ mich einfach auf den Stuhl fallen, der neben mir stand, und da ich ohnehin dort saß, schaltete ich den PC ein, und da er sowieso lief … Aber es wird nicht gemacht, dachte ich. Ich bin nicht bereit.
    Aber selbstverständlich spielte das keine Rolle. Ob ich bereit war oder nicht, war vollkommen gleichgültig.
    Es war bereit.

14
    I ch war fast überzeugt, dass er es war, aber nur fast, und ich war niemals zuvor nur fast überzeugt gewesen. Ich fühlte mich schwach, benommen, halb krank in meiner Kombination aus Aufregung, Unsicherheit und möglichem Irrtum. Aber selbstverständlich hatte der Dunkle Passagier vom Rücksitz aus das Steuer übernommen, und was ich fühlte, war nicht länger von Belang, weil ER stark war, kühl, begierig und bereit. Ich spürte, wie er in mir schwoll, aus den dexterdunklen Windungen meines Echsengehirns strömte, ein Wachsen und Schwellen, das nur auf eine Weise enden konnte, und da dies der Fall war, musste es mit diesem sein.
    Ich hatte ihn vor einigen Monaten entdeckt, aber nach kurzer Beobachtung entschieden, dass der Priester eine sichere Angelegenheit war und dieser noch ein wenig länger warten konnte, bis ich mich vergewissert hatte.
    Was für ein Irrtum. Jetzt fand ich, dass es keinen Moment länger Zeit hatte.
    Er wohnte in einer kleinen Straße in Coconut Grove. Die Nachbarschaft seines kleinen krummen Hauses bestand aus Blöcken, Grillstuben und bröckelnden Kirchen, die von Schwarzen mit niedrigem Einkommen bewohnt wurden. Eine halbe Meile weiter bauten Millionäre Wälle um ihre übergroßen Häuser, um Leute wie ihn draußen zu halten. Aber Jamie Jaworski wohnte genau dazwischen in einer Haushälfte, die er mit einer halben Million Kakerlaken und dem hässlichsten Hund teilte, den ich jemals gesehen hatte.
    Trotzdem hätte er sich dieses Haus eigentlich nicht leisten dürfen. Jaworski war Teilzeithausmeister der Ponce de Leon Junior High School, und soweit ich das beurteilen konnte, besaß er keine andere Einkommensquelle.
    Er arbeitete drei Tage

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