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Des Todes Dunkler Bruder

Des Todes Dunkler Bruder

Titel: Des Todes Dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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immerhin hatte ich sie zu einem traditionellen Morgan-Festessen eingeladen. Und ich hatte ihr wundervolle Neuigkeiten erzählt, auch wenn sie diese nicht als solche erkannte. Wenn all das sie nicht zum Lächeln bringen konnte – nun, wirklich. Man konnte von mir nicht erwarten, alles selbst zu machen.
    Aber eine kleinere Sache konnte ich noch erledigen, das Füttern von LaGuerta – keine ganz so schmackhafte Angelegenheit wie Relampagos Sandwiches, aber auf seine eigene Art köstlich. Und so stattete ich der guten Dame an diesem Nachmittag einen Besuch in ihrem Büro ab, einem reizenden kleinen Kabuff in der Ecke eines riesigen Raums, in dem ein weiteres halbes Dutzend solcher Kabuffs untergebracht war. Ihres war selbstverständlich das eleganteste, an der Bespannung der Trennwände hingen mehrere sehr geschmackvolle Fotografien von ihr und irgendwelchen Berühmtheiten. Ich erkannte Gloria Estefan, Madonna und Jorge Mas Canosa. Auf dem Schreibtisch gegenüber der jadegrünen, mit Leder eingefassten Schreibunterlage stand ein eleganter grüner Federhalter aus Onyx mit eingelassener Quarzuhr.
    Als ich eintrat, hing LaGuerta am Telefon und sprach in rasend schnellem Spanisch. Sie schaute hoch, sah mich an, ohne mich zu erkennen, und schaute wieder weg.
    Aber nur einen Augenblick später sah sie mich wieder an. Dieses Mal musterte sie mich gründlich, runzelte die Stirn und sagte: »Ta luo«, kubanisch für »hasta luego«.
    Sie legte auf und fuhr fort, mich zu mustern.
    »Was haben Sie für mich?«, fragte sie schließlich.
    »Frohe Kunde«, versicherte ich ihr.
    »Falls das gute Nachrichten bedeutet, ich kann’s gebrauchen.«
    Ich angelte mit dem Fuß nach einem Klappstuhl und zog ihn in ihr Kabuff. »Es besteht kein Zweifel«, sagte ich, während ich mich auf den Klappstuhl setzte, »dass der richtige Mann im Gefängnis sitzt. Der Mord in der Old Cutler wurde von einem anderen begangen.«
    Sie sah mich einen Moment lang nur an. Ich fragte mich, ob sie so lange zur Datenverarbeitung und Reaktion brauchte. »Sie können das beweisen?«, fragte sie mich endlich. »Mit Sicherheit?«
    Selbstverständlich konnte ich das beweisen, aber ich würde es nicht tun, gleichgültig, wie gut Geständnisse für die Seele sein mochten. Stattdessen ließ ich den Ordner auf ihren Schreibtisch fallen. »Die Fakten sprechen für sich«, sagte ich. »Es steht völlig außer Frage.« Natürlich stand es völlig außer Frage, wie ich nur zu gut wusste. »Schauen Sie …«, forderte ich sie auf und zog ein Blatt mit sorgfältig ausgewählten Vergleichen heraus, die ich getippt hatte. »Erstens, das Opfer ist männlich. Alle anderen waren Frauen. Dieses Opfer wurde jenseits der Old Cutler entdeckt. Alle Opfer McHales fand man beim Tamiami Trail. Dieses Opfer war relativ intakt, und der Fundort ist mit dem Tatort identisch. McHales Opfer wurden vollständig zerlegt und an einem anderen Ort entsorgt.«
    Ich fuhr fort, und sie hörte aufmerksam zu. Die Liste war gut. Ich hatte mehrere Stunden damit verbracht, mir die offensichtlichsten, haarsträubendsten, erkennbar idiotischsten Vergleiche auszudenken, und ich muss sagen, ich hatte gute Arbeit geleistet. Sie schluckte alles. Selbstverständlich bekam sie zu hören, was sie hören wollte.
    »Zusammengefasst«, erläuterte ich, »trägt dieser neue Mord alle Anzeichen eines Vergeltungsmordes, vermutlich im Zusammenhang mit Drogen. Der Typ im Gefängnis hat die anderen Morde begangen, und damit ist es absolut positiv und hundertprozentig für immer aus und vorbei. Es wird niemals wieder passieren. Der Fall ist abgeschlossen.« Ich ließ den Ordner auf ihren Tisch fallen und reichte ihr meine Liste.
    Sie nahm das Blatt entgegen und sah es sich lange an. Sie runzelte die Stirn. Ihr Blick wanderte mehrmals die Seite auf und ab. Ihr Mundwinkel zuckte. Dann legte sie es auf den Tisch unter einen schweren Briefbeschwerer aus grüner Jade.
    »Okay«, sagte sie und rückte den Briefbeschwerer zurecht, bis er mit der Kante ihrer Schreibunterlage eine gerade Linie bildete. »Okay. Sehr gut. Das sollte helfen.« Sie sah mich an, ihr konzentriertes Stirnrunzeln saß noch immer festgetackert an Ort und Stelle, dann lächelte sie plötzlich. »Okay. Danke, Dexter.« Ihr Lächeln war so unerwartet und aufrichtig, dass ich, besäße ich eine Seele, mit Sicherheit ein schlechtes Gewissen bekommen hätte.
    Sie stand immer noch lächelnd auf, und bevor ich mich zurückziehen konnte, hatte sie ihre Arme um meinen

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