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Des Todes Dunkler Bruder

Des Todes Dunkler Bruder

Titel: Des Todes Dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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Ich wurde zwischen Traum und Erinnerung hin und her gerissen und wusste nicht, was von beidem bezwingender war.
    Das war kein Spaß mehr. Ich wollte mein Gehirn zurück.
    Ich trocknete mir die Hände und ging wieder zu Bett, aber für den teuren, traumatisierten Dexter gab es in dieser Nacht keinen Schlaf mehr. Ich lag einfach auf dem Rücken und beobachtete die dunklen Lachen, die über die Decke wanderten, bis um viertel vor sechs das Telefon klingelte.
    »Du hast Recht behalten«, sagte Deb, als ich abnahm.
    »Ein wunderbares Gefühl«, sagte ich, wobei ich mich anstrengen musste, wie mein altes strahlendes Selbst zu klingen. »Womit denn?«
    »Mit allem«, erklärte Deb. »Ich stehe an einem Tatort am Tamiami Trail. Und rat mal was?«
    »Ich hatte Recht?«
    »Er war es, Dexter. Er muss es gewesen sein. Und es ist verdammt viel spritziger.«
    »Inwiefern spritziger, Deb?«, fragte ich, während ich dachte, drei Leichen, darauf hoffte, dass sie es nicht sagte und die erregende Gewissheit empfand, dass sie es tun würde.
    »Es scheint sich um multiple Opfer zu handeln«, erwiderte sie.
    Es durchfuhr mich wie ein Stromschlag, vom Magen direkt nach oben, als hätte ich eine Batterie verschluckt.
    Aber ich gab mir große Mühe, mit einer meiner typischen Schlaumeier-Bemerkungen zu antworten.
    »Das ist wunderbar, Deb. Du redest wie ein Polizeibericht.«
    »Ja, klar. Ich habe allmählich das Gefühl, dass ich vielleicht doch mal einen schreiben werde. Ich bin nur froh, dass ich es nicht bei diesem machen muss. Es ist zu unheimlich. LaGuerta hat keine Ahnung, was sie darüber denken soll.«
    »Oder wie man denkt. Was ist so unheimlich, Deb?«
    »Ich muss gehen«, verabschiedete sie sich abrupt. »Komm her, Dexter. Das musst du dir anschauen.«
    Als ich dort eintraf, stand die Menge drei Reihen tief um die Absperrung. Größtenteils Reporter. Es ist immer schwer, sich durch einen Haufen Reporter zu drängen, die Blut witterten. Man sollte es nicht glauben, im Fernsehen wirken sie stets wie hirnamputierte Waschlappen mit ernsthaften Essstörungen. Aber stellt man sie an eine Polizeiabsperrung, passieren wundersame Dinge.
    Sie werden stark, aggressiv, fordernd und sind auf einmal in der Lage, alles und jeden aus dem Weg zu schieben und niederzutrampeln. Ein bisschen so wie in den Geschichten von bejahrten Müttern, die einen Laster hochheben, weil ihr Kind darunter gefangen ist. Diese Kraft stammt aus einer geheimnisvollen Quelle – und ist Blut geflossen, können sich diese magersüchtigen Geschöpfe ihren Weg irgendwie durch alles bahnen.
    Selbst ohne ihre Frisur zu gefährden. Glücklicherweise erkannte mich einer der Streifenpolizisten an der Barrikade. »Lasst ihn durch, Leute«, forderte er die Reporter auf. »Lasst ihn durch.«
    »Danke, Julio«, grüßte ich den Cop. »Es scheinen jedes Jahr mehr Reporter zu werden.«
    Er schnaubte. »Jemand muss sie klonen. Die sehen für mich alle gleich aus.«
    Ich schlüpfte unter dem gelben Band durch, und als ich mich auf der anderen Seite aufrichtete, hatte ich plötzlich das komische Gefühl, als hätte jemand mit dem Sauerstoff in der Luft von Miami herumgespielt. Ich stand im Schutt und Schmutz eines Rohbaus. Hier wurde offensichtlich ein vierstöckiges Bürohaus errichtet, die Art, die von kleinen Unternehmen belegt wird. Und während ich langsam in Richtung der Aktivitäten rund um den halb fertigen Bau voranschritt, war ich überzeugt, dass uns nicht der Zufall hierhergeführt hatte.
    Dieser Killer überließ nichts dem Zufall. Alles war gewollt, auf die ästhetische Wirkung abgestellt, dem künstlerischen Bedürfnis unterstellt.
    Wir waren auf einem Baugelände, weil es notwendig war. Er machte eine Aussage, wie ich es Deborah angekündigt hatte. Ihr habt den Falschen, sagte er. Ihr habt einen Kretin eingesperrt, weil ihr selbst Schwachköpfe seid. Ihr seid zu dumm, etwas zu erkennen, wenn ich euch nicht mit der Nase darauf stoße; also, hier habt ihr es.
    Aber noch mehr als zu Polizei und Öffentlichkeit sprach er zu mir, quälte mich, neckte mich, indem er einen Abschnitt meiner eigenen hastigen Arbeit zitierte. Er hatte die Leichen zu einem Rohbau gefahren, weil ich Jaworski in einem Rohbau bearbeitet hatte. Er spielte Fangen mit mir, zeigte uns allen, wie gut er war, und verriet einem von uns – mir –, dass er zusah. Ich weiß, was du getan hast, und ich kann es auch. Besser! Ich nehme an, ich hätte deshalb ein wenig besorgt sein sollen.
    War ich nicht.
    Ich

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