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Des Todes Dunkler Bruder

Des Todes Dunkler Bruder

Titel: Des Todes Dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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Ihnen sagen, dass ich Sie, wenn Sie das Tor nicht innerhalb von zwei Sekunden öffnen, in den Kofferraum meines Wagens stopfe, Sie mit nach Miami nehme und in eine Zelle mit schwulen Rockern sperre. Und dann vergessen werde, wo ich Sie gelassen habe.«
    Der Wächter trat zurück. »Ich wollte Ihnen nur behilflich sein«, sagte er und rief über die Schulter: »Tavio, mach das Tor auf.«
    Das Tor schwang auf, und LaGuerta schoss mit dem Wagen hindurch. »Der Mistkerl hat etwas laufen, wovon ich nichts erfahren soll«, meinte sie. In ihrer Stimme lag Amüsement und steigende Erregung. »Aber Schmuggler interessieren mich heute Nacht nicht.« Sie sah zu mir herüber. »Wohin fahren wir?«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte ich. »Ich denke, wir sollten an der Stelle anfangen, an der er den Transporter abgestellt hat.«
    Sie nickte, während sie die Gasse zwischen den Container-stapeln entlangraste. »Falls er einen Körper tragen musste, hat er vermutlich nah an dem Ort geparkt, zu dem er wollte.«
    Als wir uns dem Zaun näherten, bremste sie ab, steuerte den Wagen leise bis ungefähr fünfzig Meter vor den Transporter und stellte den Motor ab. »Lassen Sie uns einen Blick auf den Zaun werfen«, meinte sie, rammte die Automatik auf Parken und glitt aus dem Wagen, während er zum Stehen kam.
    Ich folgte. LaGuerta trat in etwas, das ihr missfiel, und hob das Bein, um ihre Schuhsohle zu betrachten. »Gottverdammt«, fluchte sie.
    Ich schob mich an ihr vorbei, wobei ich meinen Puls laut und schnell pochen spürte, und ging hinüber zum Transporter. Ich lief einmal herum, probierte die Türen.
    Sie waren verschlossen, und die beiden Heckfenster waren von innen überstrichen. Trotzdem stellte ich mich auf die Stoßstange und versuchte hineinzuspähen, aber die Farbe deckte vollkommen. Von dieser Seite gab es nichts mehr zu sehen, aber ich kauerte mich trotzdem hin und musterte den Boden. Ich spürte eher, als dass ich es hörte, wie LaGuerta hinter mir heranschlidderte.
    »Was haben Sie?«, fragte sie, und ich stand auf.
    »Nichts«, sagte ich. »Die Heckfenster sind von innen gestrichen.«
    »Können Sie vorn hineinsehen?«
    Ich ging wieder nach vorn. Auch dort fanden sich keine Anhaltspunkte. Hinter der Windschutzscheibe stand einer der in Florida so beliebten Sonnenschützer aufgeklappt auf dem Armaturenbrett und verhinderte jeden Blick in die Kabine. Ich kletterte über die Stoßstange auf die Haube, kroch von links nach rechts, aber auch so waren in dem Sonnenschutz keine Löcher zu entdecken.
    »Nichts«, sagte ich und kletterte wieder hinunter.
    »Okay«, sagte LaGuerta, die mich unter gesenkten Lidern musterte und deren Zungenspitze ein ganz klein wenig hervorschaute. »In welche Richtung wollen Sie gehen?«
    Hier entlang, wisperte etwas in meinem Kopf. Dort hinüber. Ich warf einen flüchtigen Blick nach rechts, wohin der kichernde mentale Finger gezeigt hatte, und sah dann wieder LaGuerta an, die mich mit ihrem hungrigen Tigerblick anstarrte, ohne zu blinzeln. »Ich gehe nach links und laufe einen Kreis ab«, sagte ich. »Wir treffen uns auf halber Strecke.«
    »Okay«, stimmte LaGuerta mit einem raubkatzenhaften Lächeln zu. »Aber ich gehe nach links.«
    Ich versuchte überrascht und unglücklich auszusehen, und ich nehme an, mir gelang ein überzeugendes Faksimile, da sie mich musterte und dann nickte. »Okay«, wiederholte sie und wandte sich der ersten Reihe gestapelter Schiffscontainer zu.
    Und dann war ich allein mit dem schüchternen Freund in meinem Inneren. Und was jetzt? Nun, da ich LaGuerta dazu gebracht hatte, mir den rechten Weg zu überlassen, was sollte ich damit anfangen? Ich hatte keinen Grund zu der Annahme, dass er in irgendeiner Weise besser war als der linke oder dass es so besser war, als am Zaun zu stehen und mit Kokosnüssen zu jonglieren. Ich hatte nur die zischende innere Stimme, die mich dirigierte. Aber war das wirklich genug? Wenn man ein eiskalter Turm reiner Logik ist, wie ich es immer gewesen bin, dann hält man zwangsläufig Ausschau nach logischen Anhaltspunkten, die den Verlauf der eigenen Handlungen bestimmen. Genauso zwangsläufig wie man das subjektive, irrationale Kreischen lauter musikalischer Stimmen aus dem Untergeschoss des Verstandes ignoriert, die versuchen, einen den Pfad hinuntertaumeln zu lassen, gleichgültig wie laut und drängend sie im sich kräuselnden Licht des Mondes geworden sind.
    Und was die Frage betraf, wohin ich jetzt gehen sollte – ich sah mich um, die

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