Des Todes Liebste Beute
hätten vielleicht eine unbekannte Leiche dort.« Kristens Kehle wurde eng.
Was für eine Verschwendung.
Freitag, 27. Februar, 18.00 Uhr
»Sieht aus, als ob die ganze Sippe hier ist. Mom hat heute ein kleines Familienfest organisiert. Morgen, nach der Taufe, gibt es eine Riesenparty hier«, sagte Abe, während er seinen Geländewagen zwischen Seans Van und Aidans Camaro quetschte. Dann seufzte er. »Oha. Das könnte interessant werden.«
Vor dem Van stand ein wuchtiger Lexus, und instinktiv wusste Kristen, zu wem er gehörte. »Debras Eltern?«
»Ja.«
»Du hast mir noch nicht erzählt, was gestern Abend eigentlich passiert ist.«
Abe legte das Kinn auf das Lenkrad. »Sie haben mich um Verzeihung gebeten.«
»Ernsthaft?«
»Ja, ernsthaft. Ich wäre beinahe vom Stuhl gefallen. Sie meinten, sie hätten einen Fehler gemacht. Viele Fehler. Sie hätten am Tag, an dem Debra schließlich starb, erkannt, dass auch sie niemals die Geräte hätten abschalten können. Aber sie konnten mit mir keinen Kontakt aufnehmen, weil meine Eltern niemandem gesagt haben, wo ich bin.«
»Und wie hast du reagiert?«
»Ich habe gesagt, dass ich darüber nachdenken muss.«
»Und hast du?«
Er sah sie an und entdeckte in ihren Augen Verständnis, Mitgefühl und rückhaltlose Loyalität, und etwas in seinem Inneren riss auf. Er hatte von Anfang an gewusst, dass es passieren würde, im Grunde schon, als sie ihn mit dem jämmerlichen Pfefferspray attackieren wollte.
Er liebte sie. Er sah, wie sich ihre Wangen röteten, und begriff, dass seine Gefühle deutlich in seinem Gesicht zu lesen waren. »Ja.«
Sie streckte den Arm aus und strich mit einem Finger über seine Wange. »Und?«
»Natürlich verzeihe ich ihnen. Das Leben ist zu kurz, Kristen. Ich bin endlich so weit, dass ich nach vorne blicken will. Mit dir.«
Ein Lächeln erschien auf ihren Lippen. »So weit bist du jetzt?«
»Und ob.« Er packte sie im Nacken und zog sie zu sich. »Wirst du jetzt wohl kommen?«
Ihre Augen funkelten. »Aber doch nicht vor dem Haus deiner Eltern. Später vielleicht.«
Lachend küsste er sie. »Biest. Gehen wir rein und amüsieren wir uns.«
In der Küche herrschte kontrolliertes Chaos, wie üblich. Seans Kinder rannten durch die Zimmer, während Becca mit der einen Hand einen Kuchen aus dem Ofen holte und mit der anderen Aidan auf die Finger schlug. Annie stand an der Spüle und schälte Kartoffeln, und aus dem Wohnzimmer drang das Geplärre des Fernsehers. Der Kuchen war mit Kirschen. Die Welt war in Ordnung.
»Hi, Mom«, sagte Abe. »Reicht es für zwei mehr?«
»Wir können in meiner Küche nicht kochen«, fügte Kristen trocken hinzu. »Jemand hat sie gestohlen.«
Aidan und Annie sahen sich verschwörerisch an, und Kristen überraschte alle, indem sie zu Aidan ging, seinen Kopf zu sich herunterzog und ihm einen dicken Kuss auf die Wange drückte.
»Vielen Dank.« Dann legte sie Annie die Arme um die Schultern und drückte sie an sich. »Das war das Netteste, was je jemand für mich getan hat.«
Annie strahlte, und Aidan, der sich rasch wieder erholte, grinste schmutzig. »Wenn das das Netteste ist, was je einer für dich getan hat, dann muss ich aber mal ein ernstes Wörtchen mit Abe reden.«
Mit glühenden Wangen sah Kristen zu seiner Mutter hinüber. »Schlagen Sie ihn bitte.«
Becca zog die Brauen hoch. »Du bist kein Gast mehr. Schlag ihn selbst.« Ernüchtert wandte sie sich zu Abe um. »Du hast Besuch. Im Wohnzimmer.«
»Ja, ich weiß. Bin gleich wieder da.«
Kristen sah ihm nach. Er war bereit, die traurigen Reste seiner Vergangenheit ad acta zu legen und in die Zukunft zu sehen. Eine Zukunft, die er teilen wollte. Mit ihr. Sie wusste, worauf das hinauslief. Ein Mann wie Abe Reagan hatte keine Affären. Er wollte eine Ehefrau. Eine Familie. Und wie gerne, oh, wie gerne wollte sie ja sagen. Aber es gab Dinge, die er zuerst erfahren musste. Dinge, die ihn vielleicht dazu bringen würden, seine Meinung zu ändern. Sie musste es ihm sagen. Und zwar sehr bald. Und wenn er sie dann noch wollte, würde sie ihm die Antwort geben, die ihr Herz herausschrie.
Sie schauderte und wandte sich zu Annie um. »Also – was denkst du über die Küche? Bäuerlich rustikal oder lieber mediterran?«
Freitag, 27. Februar, 18.30 Uhr
Ihn zu finden war überhaupt kein Problem gewesen. Wenige Kleinstadtbürgermeister in Kansas kandidierten für das Parlament, und nur einer von ihnen war auf der Universität von Kansas gewesen.
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