Des Todes Liebste Beute
erledigt. »Vielen Dank, Mr. Reagan. Das weiß ich zu schätzen.«
Er zog seinen Mantel aus und legte ihn über die Motorhaube. »Freunde nennen mich Abe.«
Sie zögerte, dann zuckte sie die Achseln. Wenn er irgendetwas Böses im Sinn gehabt hätte, hätte er ihr längst etwas getan. »Ich bin Kristen.«
»Dann machen Sie mal den Kofferraum auf, Kristen, damit Sie bald wieder losfahren können.«
Kristen tat es. Wann hatte sie das Ding eigentlich zum letzten Mal benutzt? Sie hoffte inständig, dass sie einen Ersatzreifen dabeihatte, denn wenn nicht, würde Mr. Besserwisser bestimmt eine passende Bemerkung dazu machen.
Und dann starrte sie ins Innere ihres Kofferraums, der, wie sie genau wusste, leer und sauber hätte sein müssen.
Nun, leer war er nicht mehr.
Sie streckte zögernd die Hand aus, riss sie jedoch sofort zurück.
Nichts anfassen!
Sie blinzelte und versuchte zu begreifen, was die drei eckigen Gegenstände, die
sie
dort nicht hineingestellt hatte, zu bedeuten hatten. Und als sich ihre Augen an das dämmrige Licht gewöhnten, das von der kleinen Kofferraumlampe ausging, begann ihr Verstand zu verarbeiten, was sie sah. Die abschließende Nachricht aus ihrem Gehirn löste ein bitteres Brennen in ihren Eingeweiden aus. Und sie hatte gedacht, der Tag könnte nach dem Prozess nicht noch schlimmer werden.
Wie konnte man sich nur so irren!
Reagans Stimme durchdrang den dichten Nebel, der ihr Bewusstsein einhüllte. »Das wird nur ein paar Minuten dauern.«
»Ähm, ich fürchte nicht.«
Einen Moment später war er hinter ihr und blickte ihr über die Schulter, und sie hörte, wie er zischend den Atem ausstieß. »Verdammter Mist!«
Entweder hatte er bessere Augen, oder ihre Müdigkeit war für ihr Zeitlupenverständnis verantwortlich. Jedenfalls hatte er augenblicklich begriffen, was ihr nun nach einigen Sekunden Informationsverarbeitung den Magen umdrehte.
»Ich muss die Polizei rufen.« Ihre Stimme bebte, aber das kümmerte sie nicht. Es geschah nicht jeden Tag, dass jemand sich an ihrem persönlichen Eigentum vergriff. Und es geschah wahrhaftig nicht jeden Tag, dass sie über einen ganz eigenen Indizienfundort verfügte. In ihrem Kofferraum. Reizend.
Drei Plastikkisten für Milchflaschen standen nebeneinander. Jede Kiste enthielt Kleidung, auf der ein Briefumschlag lag. Auf jedem Umschlag klebte – exakt mittig – ein Polaroidfoto. Und selbst aus der Entfernung konnte sie erkennen, dass jede Person auf den Polaroids ganz und gar tot war.
»Ich muss die Polizei rufen«, wiederholte sie, dankbar, dass ihre Stimme ihr wieder gehorchte.
»Haben Sie schon«, antwortete Abe grimmig.
Kristen fuhr zusammen und sah zu ihm auf. »Sie sind ein Cop?«
Er zog ein Paar Latexhandschuhe aus seiner Tasche. »Detective Abe Reagan, Mordkommission.« Er streifte jeden Handschuh mit einem abschließenden klatschenden Geräusch über, das durch die leere Garage hallte. »Mir scheint, dies ist der geeignete Moment für eine offizielle Vorstellung.«
Sie sah zu, wie er den Umschlag von der rechten Kiste nahm. »Kristen Mayhew.«
Sein Kopf fuhr herum, und er sah sie überrascht an. »Die Staatsanwältin? Verdammt und zugenäht.« Er betrachtete ihr Gesicht eingehend. »Es liegt an Ihrem Haar«, sagte er dann und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Umschlag in seiner Hand zu.
»Was ist mit meinem Haar?«
»Sie hatten es straff nach hinten gezogen. Und einen Knoten am Hinterkopf.« Er hielt den Briefumschlag dicht an die Lampe des Kofferraums. »Ich wünschte, ich hätte eine Taschenlampe.«
»Ich habe eine im Handschuhfach.«
Er schüttelte den Kopf, ohne den Blick von dem Polaroid zu nehmen. »Nein. Ich lasse Ihren Wagen abschleppen und auf Fingerabdrücke untersuchen, also fassen Sie lieber nichts an. Lieber Himmel – der Typ ist tot.«
»Ach was. Und das schließen Sie allein aus dem Einschussloch im Schädel?«, fragte Kristen trocken.
Abe Reagan bedachte sie mit einem kurzen Grinsen. »Tja, gelernt ist gelernt«, sagte er. Dann wurde er wieder ernst. »Männlich, weiß, Ende zwanzig, Anfang dreißig. Hände vor dem Körper zusammengebunden …« Er blinzelte. »Na, toll«, sagte er trocken.
Kristen beugte sich über seinen Arm, um etwas zu sehen. »Was ist denn?«
»Wenn ich mich nicht irre, hat jemand den Burschen zusammengenäht. Von oben bis unten.«
Kristen packte seinen Arm und drehte das Foto ins Kofferraumlicht. Tatsächlich sah man eine Linie, die am Brustbein des Mannes begann und
Weitere Kostenlose Bücher