Des Todes Liebste Beute
noch ein Streifenwagen vor ihrem Haus stehen, bis … nun ja, bis sich etwas änderte, nahm Kristen an. Bis ihr ergebener Diener sie nicht länger beobachtete. Bis sie nicht mehr das Ziel aufgebrachter Gangmitglieder oder klatschsüchtiger Reporter war. Bis sie nicht mehr geschehen lassen musste, sondern selbst handeln konnte. Sie musterte das große Schild im Schaufenster und traf eine Entscheidung.
»Nein. Ich komme mit.«
Reagan half ihr von dem hohen Sitz herunter, und sie hielt den Atem an, bis sie sicher auf beiden Füßen stand. Ihr Knie pochte höllisch, aber sie dachte nicht daran, sich etwas anmerken zu lassen. Man konnte nicht wissen, ob die Presse vielleicht irgendwo lauerte. »Irgendwelche Kameras?«, murmelte sie, und Reagan sah sich aufmerksam um.
»Nein. Wahrscheinlich ist jeder, der etwas mit Medien zu tun hat, jetzt auf Spinellis Pressekonferenz.« Reagan verzog das Gesicht. »Ich bin froh, dass ich das nicht machen muss. Vor allem jetzt, da unser Freund sein Repertoire erweitert hat.«
»Ich hatte fünfzehn Anrufe von Verteidigern auf dem Handy, seit Richardson die Story von Skinners Tod gebracht hat.« Kristen machte versuchsweise einen Schritt vorwärts und zuckte zusammen. »Keiner traut sich mehr aus dem Haus.« Sie empfand eine gewisse Befriedigung bei der Vorstellung, wie die Herren und Damen bibbernd hinter ihren Vorhängen auf die Straße schauten, und dafür schämte sie sich nur ein ganz klein wenig. Kristen hatte die Mentalität von Strafverteidigern noch nie verstehen können. In den meisten Fällen wussten sie, dass ihre Klienten schuldig waren, aber sie traten für sie ein, als ob es sich um Opfer handelte.
Reagan grunzte nur. »Geschieht ihnen recht. Vielleicht tut es ihnen ganz gut, sich ein, zwei Tage anständig zu fürchten. Wir hätten Mias Wagen nehmen sollen. Den ganzen Tag hoch- und wieder herunterzuklettern kann nicht besonders gut für Ihr Knie sein.«
Sie warf ihm einen Blick zu, konnte hinter der Sonnenbrille aber seine Augen nicht sehen. Und das war besser so, dachte sie und unterdrückte den Anflug von Enttäuschung. Sie fing langsam an, sich an seinen mitfühlenden Blick zu gewöhnen. »Sie haben doch gehört, was Ruth gesagt hat. Mir fehlt nichts.«
Er sagte nichts darauf, sondern bot ihr nur den Arm, und sie folgten Mia in den Laden. »Was ist das?«, fragte Kristen und beäugte den Koffer, den Mia trug. Seine Partnerin hatte Abe gebeten, bei ihr zu Hause anzuhalten, bevor sie ihre Tour zu den Waffengeschäften der Stadt begonnen hatten, und war mit dem Koffer wieder herausgekommen.
Reagan lachte leise. »Das werden Sie gleich sehen.«
Ein großer Mann stand hinter der verglasten Theke und sah sie finster an. »Sie schon wieder.«
»So sieht’s aus«, erwiderte Mia fröhlich. »Ist Diana da?«
»Nein«, schnappte der Mann.
»Oh, um Himmels willen, Ernie.« Eine ältere Frau, den Arm in der Schlinge, kam aus dem Hinterzimmer. »Ja, ich bin da, Detectives. Was kann ich heute für Sie tun?« Sie warf einen begehrlichen Blick auf Mias Koffer, dann entdeckte sie Kristen. »Da haben Sie mir ja heute eine Berühmtheit mitgebracht.«
»Ja, ja, die Prominenz.« Mia beugte sich über die Theke. »Es sieht folgendermaßen aus, Diana. Wir haben bei unseren Ermittlungen eine Kugel gefunden.« Sie holte ein Tütchen hervor und legte es auf die Theke. »Es ist nicht gerade großartig, aber im Moment alles, was wir haben. Was können Sie uns darüber sagen?«
Die alte Dame schürzte die Lippen, woraufhin sich an ihren Mundwinkeln Falten bildeten, die sich wie Sonnenstrahlen die Wange hinaufzogen. Ihre Finger betasteten die Tüte mit der Kugel. »Und was springt dabei für mich heraus?«
Mia tappte auf den schwarzen Koffer, den sie mitgebracht hatte. »Seien Sie ein braves Mädchen, dann sehen wir weiter.«
»Was ist denn da drin?«, wollte Kristen erneut wissen, aber Abe schüttelte nur den Kopf und legte den Finger auf die Lippen.
Dianas Blick wurde sehr viel wohlwollender. »Schon lange her, dass man mich Mädchen genannt hat.«
»Betrachten Sie es als besonderen Service«, sagte Mia. »Wir glauben, dass diese Kugel handgegossen wurde.«
Diana zog nachdenklich die Mundwinkel herunter. »Das stimmt. Aber sie ist zu stark beschädigt, um etwas über die Besonderheiten der Gussform aussagen zu können.« Sie nahm die Kugel und verengte die Augen. »Sie hat eine Markierung.«
»Ich weiß. Unser Ballistiker hat uns das auch gesagt. Aber er konnte nichts Genaues
Weitere Kostenlose Bücher