Des Todes Liebste Beute
21. Februar, 9.30 Uhr
Trevor Skinners Frau, eine dünne blasse Person, stand kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Sie war keine Hilfe, als sie sie fragten, wo ihr Mann in den vergangenen Tagen gewesen war, ob er Fremde zu Besuch gehabt hatte, wie es sein konnte, dass er mitten in der Nacht in die gottverlassene Gegend gefahren war, wo man ihn angeschossen hatte.
Sie hatten den Tatort dank moderner Technologie mit Leichtigkeit gefunden. Skinner hatte einen Vertrag bei einer Gesellschaft abgeschlossen, die die Wagen per Satellit aufspürte, um Hilfe zu schicken, falls ein Notfall eintreten sollte. Der Service schloss auch einen so genannten Pathfinder mit ein. Und das Glück war diesmal mit ihnen. Skinner hatte eine Wegbeschreibung zu der stillgelegten Fabrik erbeten, wo der Killer ihm die Knie zerschossen hatte. Offenbar war der Wagen anschließend von ein paar Teenies gestohlen worden, die ihn wiederum dort stehen lassen hatten, wo er am Morgen gefunden worden war.
Abe war gerade zu dem Schluss gekommen, dass die hysterische Mrs. Skinner ihnen nichts Wertvolles mehr sagen konnte, als eine ältere Hausangestellte ihn schüchtern am Jackenärmel zupfte. »Sir?«, flüsterte sie. »Es ist ein Päckchen gekommen.«
Abe und Mia folgten der Frau ins Nebenzimmer, wo sie nicht durch Mrs. Skinners schrille Stimme gestört wurden.
»Wann ist das Päckchen gebracht worden, Ma’am?«, fragte Abe.
»Donnerstag.« Sie zuckte voller Unbehagen die Achseln. »Vielleicht so um zwei.«
»Haben Sie gesehen, wer es gebracht hat?«
»Nein, Sir. Es klingelte an der Tür, und als ich aufmachte, war es da.«
»Können Sie es beschreiben?«, fragte Mia.
»Es war in braunes Papier eingeschlagen. Das Etikett war getippt, und es stand nur Mr. Skinners Name drauf. Es war sehr leicht, als wäre nur Luft drin. Und ungefähr so groß.« Sie zeigte es mit den Händen.
Als wäre nur Luft drin. Vielleicht ein einzelnes Blatt Papier, ein Brief wahrscheinlich, und Abe fragte sich, was wohl so wichtig gewesen sein mochte, dass Skinner sich so spät noch auf den Weg gemacht hatte. »Haben Sie in der Nähe einen Wagen gesehen, Ma’am?«
»Ja, das habe ich. Es war ein weißer Lieferwagen. Das weiß ich noch, weil ich es so seltsam fand. Der Wagen war von einem Blumenlieferanten, aber ich habe niemanden mit Blumen gesehen.«
»Ja«, murmelte Mia. »Unser kleiner Pflanzenfreund hat nebenbei auch andere Hobbys. Haben Sie das Päckchen geöffnet?«
Die Augen der Haushälterin weiteten sich beinahe entsetzt. »Aber nein. Mr. Skinner konnte es nicht leiden, wenn wir seine Sachen anfassten. Er war da sehr eigen.« Die Frau warf der schluchzenden Mrs. Skinner im Nebenzimmer einen Blick zu. »Ist er wirkich tot?«
Oh, ja, dachte Abe. Und wie er tot ist. »Ja, Ma’am. Es tut uns Leid.«
Samstag, 21. Februar, 16.00 Uhr
»Diana Givens wird uns nicht helfen können.« Mias Kommentar vom Rücksitz des Geländewagens klang finster. »Niemand kann uns helfen. Die Kugel ist zu stark beschädigt.«
Die Spurensicherung hatte die Kugel in einem Holztürrahmen der alten Fabrik gefunden, wo Skinner am Donnerstagabend entführt worden war. Die Analyse des Blutes, das sie auf der Straße gefunden hatten, würde bestätigen, dass er dort angeschossen worden war, aber sie waren auch jetzt schon recht sicher. Die Kugel war ein wichtiger Fund, zumal der Killer sich solche Mühe gegeben hatte, die Geschosse aus Kings Leiche zu entfernen – schließlich schnitt man nicht nur aus Spaß jemanden auf und nähte ihn anschließend wieder säuberlich zu.
Die Kugel hatte eine bestimmte Markierung, wie die Ballistiker erklärt hatten, eine Herstellermarkierung, aber dummerweise war sie so zerschrammt, dass man nichts mehr erkennen konnte.
»Das wissen wir doch noch gar nicht.« Reagan parkte den großen Geländewagen vor einem Waffengeschäft, das schon bessere Zeiten gesehen hatte, und Mia sprang heraus.
»Kommen Sie, Kristen?«, fragte Mia.
Kristen seufzte. Sie waren heute schon überall in der Stadt gewesen. Dies hier war der siebte Laden, der Waffen verkaufte. »Na, sicher.«
Reagan warf ihr einen mitfühlenden Blick zu. »Ich kann Sie auch nach Hause fahren. Inzwischen dürfte Spinelli schon Ihren neuen Schatten instruiert haben.«
Der Gedanke war einerseits tröstend, andererseits unangenehm. Ihre Nachbarn waren bereits völlig aus dem Häuschen, weil die halbe Nacht die Suchscheinwerfer der Spurensicherung die Gegend erhellt hatten, und nun würde auch
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