Des Wahnsinns fette Beute: Macken und Marotten auf der Spur (German Edition)
lesen. Wenn ich unterwegs bin, habe ich immer Bücher dabei, Wochenzeitungen, Wochenmagazine. Wenn ich mal keinen Lesestoff habe, weil mein Koffer anstatt nach Berlin nach Detroit geschickt worden ist, muss ich im Hotel die Frühstückskarte lesen oder die Bedienung des DVD-Recorders oder die Hotelservice-Karte. Ich bin fixiert auf Buchstaben und habe damit in der besonderen «Einschlaf-Situation» schon manche Irritation hervorgerufen.
HvS: Verzeihung, da werden wir hellhörig. Welche Art von Irritation?
Ich finde, die Andeutung reicht aus. Aber bitte: Es gibt ja diese erotisch-sentimentalen Momente des «Nachher». Wenn die Partner nach der allgemeingültigen erotischen Formel miteinander verschlungen in einen Dämmerschlaf sinken sollen. Ich kann das nicht. Ich bemühe mich aber.
Aufstehen?
Immer schwer. Immer mit Überwindung. Besonders, wenn es noch dunkel ist. Oft sitze ich um 6 : 30 Uhr schon in der Maske. Dann denke ich in den drei Minuten, bevor ich mich entschließe, die Wärme meines Bettes zu verlassen, dass ich einen geliebten Beruf habe, auch wenn es mir um 6 Uhr morgens schwerfällt, das zu glauben. Dann denke ich, mein Kater erwartet mich schon für seine Morgenmahlzeit. Dann stehe ich auf. Immer zuerst mit dem rechten Bein. Das hat meine Großmutter schon so gemacht.
Hurra! Eine Ritualverwandte! Gibt es bei Mahlzeiten etwas Unverzichtbares? Ist die Tischdeko immer gleich? Muss es ein bestimmtes Äpfelchen sein?
Nein, es gibt in einem so unruhigen Leben wie meinem keine Rituale, die durchsetzbar wären. Aber Kaffee, ja, das muss sein. Ich bin Wienerin. Mein Kaffee zu Hause ist natürlich wienerisch, stark und süß. In den Hotels kämpfe ich darum.
Gibt es an Weihnachten etwas, wo Sie wissen: definitiv alle Jahre wieder?
Ohne Kinder, ohne kleine Kinder ist es schwer. Aber wir haben natürlich den schönen geschmückten Baum. Rot und Gold. So wie mein Mann es gewöhnt ist. Wir haben ein großes Mittagessen mit unserer Familie und unseren Freunden, und wir gehen am Nachmittag in eine Kindermesse. Wir singen laut und oft falsch. Wir weinen ein bisschen, weil wir an unsere Kindheit denken und an den Verlust unserer Unschuld.
Wie wird denn Silvester zelebriert?
Nun ja. Wir halten uns an Kindheitsritualen fest. Damit der Abend eine Form bekommt und auszuhalten ist. Wir schmücken das Haus mit Girlanden und setzen uns blödsinnige Hütchen auf. Mein Mann zaubert. Meistens gehen seine Kunststückchen schief. Das rührt mich.
Als wir uns bei der «NDR Talkshow» kennenlernten, erwähnten Sie eine Zille beim Telefonieren?
Ja. Seitdem es die tragbaren Telefone gibt, egal ob im Festnetz oder Handys, habe ich mir eine eigene Motorik angewöhnt. Je unangenehmer mir ein Gespräch ist, desto mehr und desto schneller muss ich herumgehen, hin- und hergehen. Nach einem langen Gespräch kann ich ziemlich erschöpft sein. Muskelkater. Kann mir mein Herumgehen jemand erklären? Flucht?
Vielleicht ist es so ein Gefühl von: Wenn sich im Gespräch nichts bewegt, muss ich mich wenigstens bewegen … Conny läuft auch herum, schon beim Wählen einer «unangenehmen Nummer» joggt sie um den Wohnzimmertisch. Sie glaubt, es hat was mit Abbau von Adrenalin zu tun.
Bei mir hat es mehr mit der Zunahme von Adrenalin zu tun.
Gibt es Speisen, die Sie an Ihre Kindheit erinnern und Ihnen heute noch «Wohlgefühle» bereiten, wenn Sie sie genießen?
Ich liebe den Geruch von Zwiebeln und gedünstetem Kraut. Dieses Düftchen durchzog immer das Wohnhaus, in dem ich geboren wurde. «Krautfleckerln» sind deshalb das sublimste Gericht, das ich – wenn gut zubereitet – zu jeder Uhrzeit essen kann.
Ekeln Sie sich vor etwas?
Ich ekle mich vor fettigem Fleisch, fettiger Sauce, fettiger Suppe. Vielleicht, weil’s das nie in meiner Kindheit gab.
Haben Sie zufällig eine Klatsche mit Bakterien?
Als Nachkriegskind habe ich vor keinem Dreck Angst. Bakterien sind gar kein schlechter Nährboden.
Haben Sie andere Ängste? Benutzen Sie zum Beispiel nie den Aufzug oder die Rolltreppe, sondern ausschließlich Treppen?
Nein, diese Ängste kenne ich nicht. Ich bin durch und mit meinem Beruf schon genug mit Ängsten geplagt. Ich nehme grundsätzlich die Treppe, wenn irgend möglich, um mein Gewicht zu halten. So ist das.
Welche Ängste in Ihrem Beruf meinen Sie? Existenzängste? Versagensängste? Angst vor der Inkompetenz der anderen?
Natürlich
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