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Desiderium

Desiderium

Titel: Desiderium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christin C. Mittler
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sicher war, was genau es gewesen war.
    Die Unruhe im Raum legte sich langsam wieder. Weder meiner Schwester noch mir entgingen die Bemühungen meiner Große ltern, so zu tun, als sei nichts passiert. Es war zu auffällig, als dass man es nicht hätte bemerken können.
    Ariane trocknete so weit es ihr möglich war den Teppich, mamé holte eigens eine neue Tasse aus der Vitrine neben dem Fenster. Meine Schwester wirkte wie eine unbeteiligte Zuschauerin. Pépé , der sich langsam wieder in seinen Sessel sinken ließ, starrte mich noch immer an.
    »Das Porträt«, raunte er leise.
    Die Unterarme auf den Knien abgestützt, beugte ich mich zu ihm vor: »Ja.« Obwohl ich noch immer ein Prickeln verspürte und ein Teil von mir danach verlangte, mich dem Porträt zuzuwenden, behielt meine Stimme ihre schauspiellose Kälte.
    »Du siehst es?«
    Ich nickte leicht.
    »Was genau siehst du darauf?«
    »Grünen Hintergrund, dunkel. Ein großer Spiegel.« Ich warf einen kurzen Seitenblick auf die Wand. Das Bild war noch da.
    Jegliche Farbe abgesehen von ein paar roten Flecken auf seinen Wangen, wich aus seinem Gesicht. »Entschuldigt mich bitte!« Gehetzt verschwand er in Richtung seines Arbeitszimmers.
    Die Tür schloss sich mit einem so lauten Knall, dass die Wei ngläser im oberen Regal der Vitrine gefährlich wackelten.
    »Immer wieder schön mit der Familie zusammen zu sein«, mu rmelte Noemie.
     
    Ein paar Stunden später war es draußen deutlich abgekühlt. Die Sonne begann unterzugehen. Die Bäume im Garten – Buchen, Kiefern und weiß der Himmel was noch – warfen große Schatten auf das Gebäude. Es verlieh dem Ausblick eine gewisse Tiefe, an der man sich kaum satt sehen konnte.
    Der Nachmittag hatte sich nach dem Zwischenfall mit dem Por trät nicht gebessert. Mein Großvater war nicht aus seinem Arbeitszimmer zurückgekehrt, hatte sich sogar das Abendessen von Ariane hinein bringen lassen, mamé hatte sich nach kurzer Zeit eine Flasche ihres besten Weines bringen lassen – bei der es nicht geblieben war. Noemie hatte sich nach einem weiteren Stück Kuchen in ihr Zimmer verzogen und ausnahmsweise auf Zimmerlautstärke Musik gehört. Ich selbst hatte erst noch eine Weile vor dem ominösen Gemälde gesessen, ehe ich in die Bibliothek gegangen war.
    Es klopfte und ich hob den Kopf. Noemie stand im Türrahmen.
    »Hey. Was gibt’s?«, fragte ich mit meiner freundlichsten Stimme und bedeutete ihr, näher zu kommen.
    »Weißt du, was da heute los war?«, fragte sie und folgte meiner Geste, setzte sich jedoch nicht.
    »Eigentlich nicht. Wie wäre es mit dem üblichen Chaos?«
    Meine Schwester nickte düster, eine kleine Falte trat auf ihre Stirn und ließ sie älter wirken als sie war. »Es hat wohl irgendwie mit Papa zu tun?!« Sie sprach Deutsch mit mir, vermutlich weil uns so sonst keiner in diesem Haus verstehen konnte.
    » Benehmen sie sich nicht alle merkwürdig, wenn es um ihn geht?«, erwiderte ich, ein weiteres Mal mit den Schultern zuckend.
    » Ich vermisse ihn auch noch immer, aber das ...  Mit dem Bild abzulenken war übrigens genial.«
    Ich fing ihren Blick auf. Noemie betrachtete mich aufmerksam, aber ohne zu lächeln; sie wollte mich nicht auf den Arm nehmen. »Ja«, erwiderte ich langsam. »Mir ist nichts Besseres eingefallen.«
    Ich verbarg meine wahren Gedanken – darin hatte ich in den letzten Jahren genügend Übung bekommen. Noemie hatte das Porträt des Spiegels also tatsächlich nicht gesehen. Das wäre ein Anzeichen dafür gewesen, dass ich verrückt wurde. Ich hätte es verstanden. Aber die Reaktionen der anderen hatten nicht dazu gepasst. Insbesondere nicht die meines Großvaters.
    »Genial«, wiederholte Noemie abwesend. »Du weißt nicht zufällig, wie ich es schaffe, heute noch heimlich aus dem Haus zu kommen, oder?«
    »Warum?«
    »Heute ist doch die Fernsehpremiere von diesem Tanzfilm, von dem ich dir erzählt habe.« Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach. »Aber dazu brauche ich einen Fernseher, den es in diesem Antiquitätenladen ja nicht gibt.«
    »Dafür riskierst du mamés heiligen Zorn? Du weißt, wie schnell sie sich Sorgen macht, besonders wenn sie getrunken hat. Ich hab ’ne bessere Idee.« Ich erhob mich, ging zu einem der Regale. Ich griff darunter und zog einen kleinen, verstaubten Schlüssel hervor. »Henry möchte manchmal auch etwas von seiner Lieblingsserie mitbekommen. Er hat einen kleinen Fernseher auf den Dachboden gebracht.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ein Butler ist

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