Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
stellte sich ihre letzten Minuten vor und wandte den Blick ab. Grauenhaft. Vielleicht hatte Abby recht, vielleicht war es Zeit, dass er sich versetzen ließ.
Die Wohnung roch nach Vanille, Knoblauch und Tod – eine üble Mischung, die dazu führte, dass Bentz grün um die Nase wurde. Obwohl er bei der Mordkommission als abgebrühter Cop galt, hatte Bentz immer wieder mit Übelkeit zu kämpfen. Er versuchte, es zu verbergen, aber Montoya hatte seinen Partner mehr als einmal dabei ertappt, dass er sich am Tatort übergeben musste.
»Todeszeitpunkt?«, fragte Montoya, als er sah, dass der Mitarbeiter der Gerichtsmedizin die Temperatur maß.
Stirnrunzelnd warf dieser einen Blick aufs Thermometer. »Ich würde sagen, sie ist vorletzte Nacht gestorben.« Er nickte bekräftigend. »Die Temperatur stimmt mit dem Stand der Leichenstarre überein.«
»Zu der Zeit hat Mrs. Schnüfflerin den Priester die Wohnung verlassen sehen«, stellte Brinkman fest.
»Vergesst nicht, ihre Hände einzutüten«, sagte Montoya zu niemand Speziellem.
»Das werden wir ganz sicher nicht vergessen.« Bonita Washington ließ ihr Klemmbrett mit dem Blatt sinken, auf dem sie sich Notizen gemacht hatte, und warf Montoya einen gereizten Blick zu. »Machen Sie Ihren Job, Detective, ich mache meinen.«
Brinkman zog die Augenbrauen in die Höhe. »Autsch«, formte er mit den Lippen.
Montoya kümmerte sich nicht darum. Er wollte bloß wissen, was sich unter den Fingernägeln des Opfers befand.
Bentz schwieg. Montoya vermutete, dass er versuchte, seine Übelkeit zu bekämpfen, als sein Partner plötzlich sagte: »Sieh dir das mal an.« Er wies ins Wohnzimmer, das Gesicht leichenblass, die Kiefer so fest aufeinandergepresst, dass die Knochen hervortraten.
Auf dem Tisch stand ein Radio, daneben lag ein Hundert-Dollar-Schein. Die Augen von Benjamin Franklin waren mit einem Filzstift geschwärzt.
»Oh, zur Hölle, und sie ist –«
»– eine rothaarige Prostituierte. Sieh mal nach, auf welchen Sender das Radio eingestellt ist.«
Aber Montoya wusste schon, dass auf der Digitalanzeige die Frequenz des Senders WSLJ zu sehen sein würde.
»Die Sendung von Dr. Sam gibt es doch noch, oder? Du weißt schon, die, in der sie mitten in der Nacht Leuten, die beim Sender anrufen, Ratschläge erteilt«, sagte Bentz.
»
Midnight Confessions –
Mitternachtsbeichte. Ja, Abby hört sie manchmal, wenn sie das Baby stillt.«
Samantha Leeds Wheeler war mit ihren Ratschlägen nach wie vor auf Sendung, ungeachtet der Tatsache, dass sie einst im Visier eines hinterhältigen Killers gestanden hatte, den Polizei und Presse »Vater John« genannt hatten. Ein Killer, der seine rothaarigen Opfer vergewaltigte und ermordete, während er Dr. Sams Sendung hörte. Er hatte stets eine Hundert-Dollar-Note am Tatort zurückgelassen, bei der Ben Franklins Augen mit einem Marker geschwärzt worden waren.
Montoyas Eingeweide zogen sich zusammen, und er verspürte jenes unheimliche Schaudern, das ihn jedes Mal packte, wenn er den Eindruck hatte, dass eine Situation noch schlimmer wurde. »Es sollte mal jemand beim Sender anrufen und sich bei Dr. Sam erkundigen, ob sie merkwürdige Anrufe bekommt.«
»Bin schon unterwegs«, stieß Bentz durch zusammengebissene Zähne hervor. Er war derjenige gewesen, der Vater John erwischt hatte, seine Kugel hatte den Kerl in die Tiefen des Sumpfes geschickt, wo er – wie sie alle hofften – von den Alligatoren verschlungen worden war.
Obwohl man seinen Leichnam nie gefunden hatte, waren alle – die Polizei, Presse und die Bevölkerung – davon ausgegangen, dass Vater John, der Serienmörder, der sich als Priester das Vertrauen seiner Opfer erschlichen hatte, in den brackigen Wassern des
bayou
verendet war, zumal mittlerweile Jahre seit seiner letzten Tat verstrichen waren.
Jetzt hatte es ganz den Anschein, als hätten sie sich geirrt.
»Dr. Sam anrufen? Wozu, zum Teufel?«, fragte Brinkman, wie immer ein wenig schwer von Begriff. Sein Blick fiel auf den verunstalteten Hunderter, und langsam dämmerte ihm, was das zu bedeuten hatte. »Heilige Scheiße«, murmelte er und schüttelte seinen kahlen Kopf. »Nun, meine Damen und Herren«, fügte er dann gedehnt hinzu, »es sieht ganz so aus, als wäre er zurück.«
»Oder jemand, der seinen Modus Operandi gut genug kennt, um als Trittbrettfahrer aufzutreten«, sagte Montoya. Die Polizei hatte damals verschiedene Details der Verbrechen bewusst zurückgehalten. Dieser Kerl hier, wer
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