Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
dem Drang, noch einmal aufzustehen. Sie konnte sogar vorgeben, sie sei von ihrer Periode geweckt worden, wer wollte das schon überprüfen?
Manchmal fragte sie sich, ob die Mutter Oberin, diese alte Hexe, die direkt aus dem Mittelalter zu stammen schien, die Menstruationszyklen der jungen Frauen notierte. Es hätte Maura nicht verwundert. Dieser Ort war einfach vorsintflutlich, und Schwester Charity wachte über die Regeln, als stammten sie von Gott persönlich.
Stimmte das tatsächlich?
Interessierte sich Gott wahrhaftig dafür, wann jemand am Morgen aufstand? Sein Frühstück zu sich nahm? Fastete? Maura glaubte das nicht. Genauso wenig wie sie glaubte, dass es ihn interessierte, welche Bücher sie las, wie sie sich kleidete oder ob sie ihr Zimmer tadellos in Ordnung hielt. Sie konnte sich Gott einfach nicht als Zeitmesser und Kerkermeister vorstellen.
Die Mutter Oberin dagegen schon.
Es war eine solche Qual.
Aber nicht für Maura, jedenfalls nicht für immer.
St. Marguerite war lediglich ein düsteres Sprungbrett zu ihrem eigentlichen Ziel – ein Ziel, das sie schon bald erreicht haben würde. Sie musste sich nur noch etwas gedulden und noch eine Zeitlang Gehorsam heucheln.
Ungehalten warf sie die steife, weiße Decke zurück, schleuderte ihren widerspenstigen Zopf über die Schulter und schlüpfte aus dem Bett. Der Fußboden fühlte sich unter ihren Sohlen glatt und kühl an. Maura warf einen Blick auf die unverschlossene Tür und schlich ans Fenster. Ihr Zimmer hatte ein Eckfenster, und wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte, konnte sie in einer Richtung über das Dach des Klosters in den Garten blicken. Reckte sie den Hals, so schaute sie auf die Seitenmauer des Konvents und über die dicken Mauern hinweg auf die Straße, über die soeben ein Übertragungswagen gerollt kam, dessen Lichter auf dem nassen Asphalt reflektierten.
Die Glocken fingen wieder an zu schlagen. Maura lächelte.
Vielleicht würden nun die Sünden von St. Marguerite ans Tageslicht kommen.
Montoyas Kehle schnürte sich zusammen. Er konnte den Blick nicht von Camille Renards blutleerem Gesicht abwenden. Selbst im Tod war sie noch schön, ihre Haut glatt, makellos. Die großen, weit aufgerissenen Augen sahen nichts mehr, nie wieder.
Aufgewühlt dachte er an ihre gemeinsame Zeit auf der Highschool zurück. Sie war so lebendig gewesen …
Aufreizend. Gerissen. Und höllisch sexy.
»Verflucht«, murmelte er. Was war hier bloß passiert?
Er versuchte, sich zu konzentrieren, im Hier und Jetzt zu bleiben und die Bilder von Camille als Teenager auszublenden, die ihm immer wieder durch den Kopf gingen.
»He!« Bentz warf ihm einen durchdringenden Blick zu. »Alles in Ordnung mit dir?«
»Jaja«, log er. »Was zum Teufel ist hier vorgefallen?« Er riss seine Augen von ihrem Gesicht los und ließ sie zu dem blutbefleckten Ausschnitt des fadenscheinigen Kleides wandern. Dunkelrote Blutstropfen lagen um ihren Hals wie eine bizarre Perlenkette.
»Ich weiß es noch nicht«, gab Bentz zurück. »Hör mal, Montoya, wenn du sie kanntest, solltest du dich besser nicht an den Ermittlungen beteiligen.«
Montoya ging über Bentz’ Andeutung hinweg. So schnell ließ er sich nicht aus einem Fall drängen, nicht, solange keine offizielle Anweisung von oben kam. »Es fällt mir schwer, sie mir als Nonne vorzustellen.« Er fuhr sich mit einer unsicheren Geste durchs Haar.
»Hast du gehört, was ich gesagt habe?«
»Klar, aber ich werde nichts tun, was die Arbeit an dem Fall beeinträchtigen könnte.« Montoyas Blick glitt über Cammies reglose Gestalt. Er fragte sich, ob sie ihren Mörder gekannt hatte. War der Killer ein Fremder gewesen?
Ein Schauder lief ihm das Rückgrat hinunter, als er an den zurückliegenden Fall dachte, bei dem seine Tante von einem Wahnsinnigen umgebracht worden war und bei dem er Abby, seine jetzige Ehefrau, kennengelernt hatte. Er hatte das Gefühl, ein Déjà-vu zu erleben, und richtete die Augen auf Bentz. Dieser starrte düster vor sich hin, wie immer, wenn er in Gedanken versunken war.
Die Kirchenglocken läuteten.
Ein Uhr morgens.
Montoya kniete sich neben das Opfer und betrachtete die blutige Spitze des Kleides. »Was hat das alte Hochzeitskleid hier zu bedeuten?«
»Keine Ahnung.«
Er deutete auf die roten Tröpfchen, die den Halsausschnitt verfärbten.
»Stammt das Blut vom Opfer? Hat er sich etwa die Zeit genommen, Blut auf ihr Kleid träufeln zu lassen?«
»Schätze schon«, erwiderte
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