Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
wurden.«
»Ja«, sagte Montoya, »da können wir uns wirklich verdammt glücklich schätzen.« Er verließ Bentz’ Büro als Erster. Seine Stiefel klapperten auf der Treppe. Fast hätte er einen Beamten umgerannt, der einen Mann in Handschellen den Flur entlang zum Vernehmungszimmer führte. Der Kerl roch, als habe er in seiner eigenen Kotze geschlafen, sein Haar war verfilzt, sein Gesicht pickelig und zerkratzt. Seine Augen blitzten, und er knirschte mit den Zähnen.
Montoya ging hinaus auf den Parkplatz. Die Sonne schien, doch am Horizont ballten sich dichte Wolken, die Feuchtigkeit nahm bereits zu. Was war bloß los mit den Nonnen in St. Marguerite? Er dachte an die verschwundenen Brautkleider und die Liste der Novizinnen und Nonnen, die einst im Waisenhaus von St. Elsinore gelebt hatten.
Schwester Louise Cortez’ Name stand auch darauf.
Schwester Lucys nicht.
Lucia Costa lebte.
Was Louise anging, so hegte er diesbezüglich große Zweifel.
»Wir müssen diesen Kerl schnappen«, sagte er zu Bentz, der eben auf den Beifahrersitz des bereits aufgeheizten Crown Vic glitt und den Gurt anlegte.
»Je eher, desto besser.«
Montoya raste in die Stadt. Samstagmorgens herrschte nicht viel Verkehr, so dass sie ihr Ziel bald erreicht hatten. Unterwegs erzählte ihm Bentz, dass er sich den Bericht über die Benachrichtigung von Grace Blancs Familie vorgenommen hatte – ein Bruder lebte in Duluth, Minnesota, die Mutter war vor den kalten Wintern im Norden geflüchtet und lebte nun das ganze Jahr über in Miami. Beide waren schockiert und traurig über die entsetzlichen Ereignisse.
Montoya setzte in eine freie Parklücke nahe der Hintertür der Kathedrale. Er blickte an den in die Höhe ragenden Kirchtürmen empor, die ihre Spitzen in die grauen Bäuche der Wolken zu bohren schienen. Die Kathedrale sah finster aus und trist, man sah keine Gemeindemitglieder, die ein und aus gingen, keine Nonnen auf dem Weg zur Garage, weil sie mit dem Auto zum Krankenhaus oder nach St. Elsinore fahren wollten, kein Priester, der vorbeikam und stehen blieb, um mit den Passanten ein Schwätzchen zu halten.
Nein, das gewaltige Bauwerk wirkte düster und ahnungsvoll, eine leere Feste, wenig einladend und kaum ein geeigneter Zufluchtsort für gepeinigte Seelen.
An diesem Morgen wurde der Eingang nicht von gelbem Polizeiband versperrt, es parkten keine Nachrichten-Vans in der Nähe, niemand vom Büro des Gerichtsmediziners, keine Kriminaltechniker.
Zumindest noch nicht, dachte Montoya, während er über den Rasen zum Hintereingang ging.
Es ließ sich nicht sagen, worauf sie stoßen würden, wenn sie erst einmal zu suchen anfingen.
Würden sie die Leiche von Louise Cortez entdecken, oder war sie – wie Lea De Luca und jetzt vielleicht auch Lucia Costa – für immer von der Bildfläche verschwunden?
Montoya hatte ein ungutes Gefühl, was Louise anbetraf.
Ein sehr ungutes Gefühl.
»Die Polizei hat Camilles Leichnam freigegeben«, sagte Valerie und schob ihr Handy zusammen. Ein eiskalter Schauder durchfuhr sie. Sie saß auf dem Beifahrersitz von Slades Pick-up. Nach ihrem ausgiebigen Frühstück mit Beignets und Café au Lait in einem Restaurant direkt am Fluss im French Quarter waren sie auf dem Rückweg nach Briarstone House. Sie hatten unter einem sich langsam drehenden Ventilator gesessen, auf das Gemurmel der Gespräche um sie herum gelauscht und auf den träge dem Golf entgegenfließenden Mississippi geschaut.
Wasservögel waren am Ufer entlanggepaddelt, kleine Vögel hatten auf dem Gehsteig nach Krumen gepickt.
Es hatte ihr gutgetan, aus dem Haus zu kommen und sich in das Gewühl der Stadt zu stürzen. Ihre Laune besserte sich, und es gelang ihr, nicht ständig über die zischende Stimme nachzudenken, die sie am Telefon bedroht hatte.
Du bist die Nächssssste.
Atmen.
Und es gibt keinen Ausssssweg.
Slade und sie hatten während ihres morgendlichen Ausflugs nicht darüber gesprochen – solange sie ihre gemeinsame Zeit genossen, war das Thema tabu. Es war beinahe so, als verliebten sie sich zum ersten Mal ineinander.
Doch nun war der friedliche Morgen von dem Anruf des Bestattungsinstituts erschüttert worden, der Valerie auf den Boden der Tatsachen zurückholte. Ihre Schwester war von einem Psychopathen ermordet worden, dessen Blutdurst noch lange nicht gestillt war.
Sie biss angesichts dieser Ungerechtigkeit die Zähne zusammen. Wer war dieser Widerling, und wie zum Teufel sollten sie ihn bloß schnappen und
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