Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
werden.
»Nichts, was ich nicht schon einmal mitgemacht hätte.« Cruz blickte auf und seufzte. »Mein Gott, ich hab echt Scheiße gebaut«, sagte er.
»Willst du darüber reden?«
»Zum Teufel, nein!«
Montoya setzte sich neben ihn auf die Treppenstufe und wartete. Cruz drückte mit dem Absatz die Zigarette aus, dann erzählte er seinem Bruder widerwillig und voller Wut auf sich selbst die Ereignisse der vergangenen Nacht.
Schwester Charity war außer sich.
Zwei vermisste Nonnen an einem Morgen?
Zwei?
Mit raschelnden Röcken fegte sie den Gang entlang, dass die Perlen ihres Rosenkranzes klackerten.
O heilige Mutter Gottes, steh mir bei!
Sie hatten das gesamte Anwesen und sämtliche Räume abgesucht, aber Schwester Lucy und Schwester Louise waren nirgends aufzufinden.
Wo konnten sie sein?
Die Sorge fraß Charity fast auf, ihr Magen brannte. Das musste doch mit Luzifer persönlich zugehen.
Hör auf damit!,
ermahnte sie sich im Stillen. Sie betrat Schwester Lucys Zimmer und sah sich um. Es war leer, ihre Besitztümer waren verschwunden, das Bett ordentlich gemacht.
In Schwester Louises Zimmer sah es genau gegenteilig aus. Der Abdruck auf der Matratze war noch zu sehen, die Laken waren zerknittert, die Decke zurückgeworfen. Doch das Bett war kalt. Kalt wie der Tod.
Charitys Herz zog sich voller Furcht zusammen.
Gott sei Dank waren keine Leichen gefunden worden.
Vielleicht hatten sie das Kloster verlassen.
Zusammen.
Vielleicht zeugte der unterschiedliche Zustand ihrer Zimmer lediglich von ihren unterschiedlichen Charakteren.
Vielleicht hatte die Angst sie davongetrieben. Hatte sie nicht selbst einen Teil dieser Furcht geschürt, indem sie sie ständig umgluckt hatte wie eine Henne oder sie bewacht hatte wie ein Habicht? Wäre sie freundlicher gewesen, verständiger, liebevoller und weniger streng in ihrer Führung, müsste sie jetzt womöglich nicht nach ihnen suchen.
Vergib mir.
Sie hatte die Stunden bei Tagesanbruch, die für gewöhnlich dem Morgengebet vorbehalten waren, mit Suchen verbracht, hatte sich wieder und wieder eingeredet, dass sie viel Wirbel um nichts machte, dass sie überreagierte, doch jetzt war sie völlig sicher, dass all ihre Regeln und die zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen – neue Schlösser und regelmäßige Polizeipatrouillen – nutzlos gewesen waren.
Sie ging in ihr Büro und stellte fest, dass sie eine Nachricht erhalten hatte. Laut Anrufbeantworter war diese um kurz nach fünf in der Frühe eingegangen.
Sie drückte auf »Abspielen« und vernahm eine vertraute Stimme, die sie hoffentlich bald wieder leibhaftig hören würde.
»Mutter Oberin, hier spricht Schwester Lucy. Lucia Costa. Ich wollte Ihnen mitteilen, dass es mir gutgeht. Ich habe den Orden in der Nacht verlassen und bin unterwegs in ein neues Leben. Mir ist bewusst, dass Sie in Anbetracht der Ereignisse nicht viel auf diese Nachricht geben werden, aber bitte glauben Sie mir, ich bin in Sicherheit. Die Gnade der heiligen Mutter Gottes sei mit Ihnen.«
Klick.
Sie hatte aufgelegt.
Schwester Charity sank auf ihren Stuhl und spielte die Nachricht noch zwei weitere Male ab, um zu hören, ob etwas im Ton des Mädchens darauf hindeutete, dass es log und es sich in Wirklichkeit in einer Notlage befand.
Wo war sie hingegangen?
Und warum?
Weil sie deine Einmischerei satthat.
Weil sie Angst hat.
Schwester Charity neigte den Kopf und spürte die Last ihrer siebenundsechzig Jahre. Im Grunde war sie noch nicht alt, sagte sie sich, aber heute Morgen war sie sehr erschöpft. Ihre Gelenke schmerzten, und sie fühlte sich wie ein Überbleibsel vergangener Zeiten.
Sie stützte sich mit den Ellbogen auf der Schreibtischplatte ab, warf einen flüchtigen Blick auf das Bild des Papstes und bat den Heiligen Vater um Führung. Sie fühlte sich gedemütigt. Verängstigt. Wusste nicht, was sie tun sollte.
In ihrem Inneren vernahm sie die Stimme Gottes.
Folge deinem Herzen, Charity, mein Kind. Du kennst die Wahrheit. Du weißt, was du zu tun hast. Sei gehorsam und achtsam, standhaft und gütig. Vertraue auf dich selbst und die Menschen um dich herum. Vertraue auf mich und auf meinen Sohn und auf den Heiligen Geist. Vertraue auf die Heilige Dreifaltigkeit.
»Amen«, flüsterte sie leise und stellte fest, dass ihre Augen voller Tränen waren. Sie weinte vor Trauer und gleichzeitig vor Freude. Ihre Wangen waren feucht, salzige Tropfen fielen auf die Schreibtischplatte.
Sie versuchte, sich zusammenzureißen. Ihre
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