Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
herausgerutscht, dass die Klostervorsteherin in dauerhaftem Kontakt mit sämtlichen Frauen stand, die einst im Waisenhaus von St. Elsinore gelebt hatten.
»Aber Lucia Costa hat eine leibliche Familie.«
»Wenn die Verbindung zwischen den Opfern tatsächlich das Waisenhaus ist, dann ist sie in Sicherheit.«
»Wir wissen, dass Camille Renard ein Verhältnis mit Vater O’Toole hatte, die anderen Frauen nicht.« Diese Spur, die ihn nach wie vor beschäftigte, führte ins Nichts und war genau wie das Eichhörnchen, das den Dackel zum Narren hielt, indem es von Baum zu Baum sprang, nur um gleich darauf wieder über den Rasen zu flitzen.
»Mit Ausnahme der verschwundenen Nonne, Schwester Lea«, gab Montoya zu bedenken und biss in sein Maisbrot, dann strich er sich die Krümel aus dem Ziegenbärtchen und runzelte die Stirn. Der Gedanke an Schwester Lea behagte ihm nicht.
»Richtig.« Aber das reichte nicht. Selbst wenn Vater Frank ein Verhältnis mit Lea und Camille gehabt hatte, was hatte er mit Asteria, Lucia und Louise zu tun?
Entmutigt über diesen fruchtlosen Vormittag trank Bentz seine Cola light aus und warf die Reste seines Mittagessens ebenfalls in den Müll. Uniformierte Beamte hatten das gesamte Anwesen von St. Marguerite auf den Kopf gestellt, inklusive der Kathedrale und des Friedhofs, doch sie hatten nichts gefunden. Keinerlei Kampfspuren, keine Leiche, keine Spur von Louise Cortez. Außerdem wusste niemand, wo Lucia Costa und Cruz’ Motorrad gelandet waren.
Wie immer hatte keiner von den Nachbarn irgendetwas Ungewöhnliches gesehen oder gehört. Vater Frank hatte ein Alibi: Vater Paul. Die beiden Priester hatten den Abend gemeinsam verbracht, hatten sich unterhalten, ihre Predigten ausgearbeitet und bis weit nach Mitternacht gebetet.
Louise konnte auch in den frühen Morgenstunden entführt worden sein, O’Toole war also noch nicht ganz vom Haken, aber trotzdem …
Montoya aß sein letztes Rippchen, ließ den Krautsalat unberührt und biss noch zweimal in das Maisbrot, dann warf auch er die Reste in den Mülleimer. Gedankenverloren kehrten sie ins Department zurück.
»Und deshalb stimme ich mit Vater Thomas überein. Ich bin der Ansicht, es ist unsere Pflicht, an der Auktion heute Abend teilzunehmen«, beharrte Vater Paul. Wieder einmal hatte er Schwester Charity gebeten, die Novizinnen, Nonnen und Laien zu versammeln, damit er sie von seiner Meinung in Kenntnis setzen konnte – seine Version von aufmunternden Worten. Den ernst dreinblickenden Vater Frank an seiner Seite, versuchte er die Anwesenden davon zu überzeugen, wie gewöhnlich ihren alltäglichen Geschäften – nein,
Gottes
Geschäften – nachzukommen.
Als wenn das möglich wäre!
War er übergeschnappt?
Nach allem, was vorgefallen war?
Schwester Charity lauschte seinen Worten und nickte, obwohl sie alles andere als einer Meinung mit ihm war. Genau das hatte sie ihr Leben lang getan: die Regeln befolgt, sich den Gesetzen der Kirche unterworfen, auf die Heilige Dreifaltigkeit vertraut, auf die Kirche an sich. Sie hatte akzeptiert, dass ausschließlich Männer das Priesteramt ergreifen konnten. Die meisten von ihnen waren gute, gottesfürchtige Männer mit unerschütterlichem Glauben, aber ein paar faule Früchte – viel mehr, als sie je angenommen hatte – schienen auch darunter zu sein und stellten eine Institution in Frage, die seit über zwei Jahrtausenden existierte und bis zum Ende aller Zeiten bestehen sollte.
Denjenigen, die diese Form des organisierten Glaubens als Beschneidung individueller Rechte und Meinungen abtaten, begegnete Charity stets mit einem »Pah«. Die Kirche war gut. Ihre Anhänger waren gut.
Doch gerade eben, in diesem Augenblick, trieb Vater Paul sie an die Grenzen ihrer Geduld, als er darauf beharrte, dass sie an den abendlichen Festivitäten in St. Elsinore teilnahmen.
Sie blickte aus dem Fenster. Draußen braute sich ein Sturm zusammen, dunkle Wolken türmten sich auf. Sicher würde es gegen vier anfangen zu regnen und um sechs der Sturm losbrechen, pünktlich zum Beginn der Feierlichkeiten.
Schwester Charity verspürte einen schmerzlichen Stich im Herzen. Sie liebte St. Elsinore, und sie hatte die bevorstehende Auktion mit ganzer Kraft unterstützt, war voller freudiger Erwartung gewesen, daran teilzunehmen, nicht nur als jemand, der dort aufgewachsen war, sondern als aktives Mitglied der Kirche.
Leider hatte die Situation eine tragische, grauenvolle Wende genommen. Unter diesen
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