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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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behauptet, dass Napoleon den Papst zwingen wird, herzukommen«, sagte ich. »Weiß Gott, ich bin kein frommer Sohn der Heiligen Römischen Kirche, das wäre auch von einem ehemaligen Revolutionssergeanten zu viel verlangt, aber ich finde es nun einmal nicht richtig, dass er den alten Herrn über die schlechten Straßen von Rom nach Paris jagt«, meinte Jean-Baptiste. »Es soll auch irgendeine alte Krone gefunden worden sein und ein Szepter und ein Reichsapfel, und wir sollen alle bei der Zeremonie mitwirken. Joseph und Louis wollen sich Hoftrachten im spanischen Stil machen lassen«, berichtete ich. »Besonders der plattfüßige Louis wird flott ausschauen!« Jean-Baptiste blickte vor sich hin. Dann sagte er plötzlich: »Ich werde ihn um einen selbständigen Verwaltungsposten bitten, möglichst weit von Paris entfernt. Ich möchte für irgendein Gebiet wirklich verantwortlich sein. Nicht nur militärisch, verstehst du? Ich habe mir eine neue Form des Lizenzsystems und der Zollgesetze zurechtgelegt, und ich glaube, ich könnte wirklich den Wohlstand eines Landes heben.«
    »Aber dann musst du wieder fortfahren!«, widersprach ich verzweifelt. »Das muss ich auf jeden Fall. Bonaparte wird der französischen Republik neue Friedensverhandlungen, aber bestimmt keinen dauernden Frieden bringen. Und wir Marschälle werden mit unseren Armeen durch ganz Europa reiten, bis –« Er machte eine Pause. »Bis wir uns zu Tode gesiegt haben. Bonaparte ist nämlich ein verdammt guter Soldat.« Während der letzten Worte hatte Jean-Baptiste begonnen, den Kragen zu lockern. Ich sah ihn an. »Dir ist die Marschallsuniform zu eng!« – »Stimmt,mein kleines Mädchen. Mir ist die Marschallsuniform zu eng. Und deshalb wird Sergeant Bernadotte sehr bald Paris verlassen. Komm, trink aus, wir wollen schlafen gehen.«

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    Paris, 9 Frimaire des Jahres XII.
(Nach dem Kirchlichen Kalender
30. November 1804.)
    D er Papst ist wirklich nach Paris gekommen, um Napoleon und Josephine zu krönen. Und Jean-Baptiste hat mir eine schreckliche Szene gemacht, weil er plötzlich auf ihn eifersüchtig ist. (Nicht auf den Papst, sondern auf Napoleon!) Heute Nachmittag wurde in den Tuilerien der Krönungszug der Kaiserin geprobt. Mir summt noch der Kopf davon, und außerdem bin ich ganz verzweifelt, weil Jean-Baptiste eifersüchtig ist. Deshalb kann ich nicht einschlafen und sitze an Jean-Baptistes großem Schreibtisch mit den vielen Büchern und Landkarten und schreibe in mein Buch. Jean-Baptiste ist fortgegangen, und ich weiß nicht, wohin …
    In zwei Tagen wird die Krönung vorgenommen werden, und seit Monaten spricht man in Paris von nichts anderem. Es soll das glanzvollste Ereignis aller Zeiten werden, sagt Napoleon. Und der Papst wurde gezwungen, nach Paris zu kommen, damit die ganze Welt und vor allem die Anhänger der Bourbonen sehen, dass Napoleon in Notre-Dame richtig gekrönt und gesalbt wird. Die ehemaligen Großen des Versailler Hofes, die alle sehr fromme Katholiken sind, hatten heimlich untereinander Wetten abgeschlossen, ob der Papst kommen wird oder nicht. Die meisten hielten es für undenkbar. Und wer zog vor ein paar Tagen mit einem Gefolge von sechs Kardinälen, vier Erzbischöfen, sechs Prälaten und einem ganzen Heer von Leibärzten, Sekretären, Soldaten der Schweizer Garde und Lakaien in Paris ein? Pius VII.! Josephine hat ihm zu Ehren in den Tuilerien ein großes Festessen gegeben. Aber der Papst hat sich frühzeitig und sehr beleidigt davonzurückgezogen, weil sie ihn nach dem Souper durch eine Ballettaufführung erfreuen wollte. Dabei hat sie es nur gut gemeint. »Wenn der alte Herr schon einmal in Paris ist …«, hat Josephine dem Onkel Fesch erklärt. Aber Onkel Fesch, jetzt von Kopf bis Fuß ein Kardinal, hat nur verärgert den Kopf geschüttelt. Die Mitglieder der kaiserlichen Familie halten seit Wochen abwechselnd in Fontainebleau und in den Tuilerien Proben für die Krönungsfeierlichkeiten ab. Heute Nachmittag wurden auch wir, die Frauen der achtzehn Marschälle, in die Tuilerien kommandiert. Die Krönungsprozession der Kaiserin sollte einstudiert werden. Als ich mit Laura Junot und Madame Berthier in den Tuilerien erschien, wurden wir in Josephines weißen Salon geführt. Dort hatten sich bereits die meisten Mitglieder der Familie Bonaparte versammelt und stritten. Verantwortlich für die Leitung der Krönungsfeierlichkeiten ist Joseph, aber die Einzelheiten hat Zeremonienmeister Despreaux, der dafür eine Gage

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