Désirée
von zweitausendvierhundert Francs bekommt, zu bestimmen. Despreaux ist also Regisseur, und ihm zur Seite steht dieser fürchterliche Monsieur Montel, bei dem ich seinerzeit vornehmes Benehmen gelernt habe. Wir Marschallinnen drängten uns in einer Ecke zusammen und suchten herauszufinden, worüber eigentlich gestritten wurde. »Es ist aber ausdrücklicher Wunsch Seiner Majestät«, schrie Despreaux verzweifelt. »Und wenn er mich aus Frankreich hinauswirft wie den armen Lucien, ich tue es doch nicht!«, keifte Elisa Bacciochi. »Die Schleppe tragen, dass ich nicht lache! Die Schleppe tragen!«, kam es empört von Polette. »Aber Julie und Hortense haben auch die Schleppe zu tragen und weigern sich nicht, obwohl beide Kaiserliche Hoheiten sind«, versuchte Joseph zu begütigen. Seine bereits dünn gewordenen und stets glatt zurückgebügelten Haarsträhnen waren ganz durcheinander geraten.
»Die Kaiserlichen Hoheiten!«, zischte Caroline. »Und warum werden wir, die Schwestern des Kaisers, nicht zu Hoheiten ernannt, wenn ich fragen darf? Sind wir vielleicht weniger gut als Julie, diese Seidenhändlerstochter und –«, ich spürte, wie ich rot vor Zorn wurde, »– und Hortense, die Tochter dieser – dieser – –« Caroline suchte ein Schimpfwort für Ihre Majestät Kaiserin Josephine.
»Meine Damen, ich beschwöre Sie!«, stöhnte Despreaux.
»Es handelt sich um den Krönungsmantel mit der Riesenschleppe«, flüsterte mir Laura Junot zu. »Der Kaiser will, dass sie von seinen Schwestern und den Prinzessinnen Julie und Hortense getragen wird.« »Nun – können wir mit der Probe beginnen?« Aus einer Seitentür war Josephine eingetreten und sah sehr seltsam aus. An ihren Schultern waren zwei aneinander genähte Laken befestigt, die den Krönungsmantel, der scheinbar noch nicht fertig war, darstellen sollten. Wir versanken in einem Hofknicks. »Bitte, sich für den Krönungszug Ihrer Majestät aufzustellen!«, rief Joseph. »Und wenn sie sich auf den Kopf stellt, ich trage ihr nicht die Schleppe«, keuchte Elisa Bacciochi schnell.
Despreaux steuerte auf uns zu. »Die achtzehn Marschallinnen sind leider siebzehn!«, konstatierte er nachdenklich. Es klang nicht gerade geistvoll. »Denn die Frau Marschallin Murat wird ja als Schwester des Kaisers die Schleppe tragen.« »Nicht im Traum denkt sie daran!«, rief Caroline quer durch den Raum. »Jetzt weiß ich nicht recht, wie diese siebzehn Damen zwei und zwei –«, grübelte Despreaux. »Montel! Haben Sie eine Idee, wie siebzehn Damen neun Paare bilden können, um vor ihrer Majestät einherzuschreiten?« Montel trippelte auf uns zu und runzelte sorgenvoll die Stirn. »Siebzehn Damen – paarweise – keine darf einzeln gehen –« »Darf ich Ihnen bei derLösung dieser strategischen Aufgabe behilflich sein?«, fragte dicht neben uns jemand. Wir fuhren herum. Versanken wieder in einem tiefen Hofknicks. »Ich schlage vor, dass nur sechzehn Marschallsgattinnen den Zug Ihrer Majestät eröffnen. Dann folgen wie besprochen Securier mit dem Ring der Kaiserin, Murat mit ihrer Krone und schließlich eine der Marschallinnen mit – ja, mit einem Kissen, auf dem ein Spitzentaschentuch Ihrer Majestät liegt. Es wird sehr poetisch wirken.« »Genial, Majestät«, flüsterte Despreaux ergriffen und knickte in tiefer Verbeugung zusammen. Neben ihm verneigte sich Montel bis zur Erde. »Und diese Dame mit dem Spitzentaschentuch –«, Napoleon machte eine kleine Pause und blickte scheinbar nachdenklich von Madame Berthier zu Laura Junot, von Laura Junot zur hässlichen Madame Lefèbre. Aber ich kannte bereits seine Entscheidung. Ich wollte eine der sechzehn sein. Die Marschallin Bernadotte. Nicht mehr und nicht weniger, ich wollte keine Ausnahmestellung haben, ich wollte nicht – »Wir bitten Madame Jean-Baptiste Bernadotte, diese Aufgabe zu übernehmen. Madame Bernadotte wird reizend aussehen. In Himmelblau, nicht wahr.« »Himmelblau kleidet mich nicht«, stieß ich hervor und dachte an das himmelblaue Seidenkleid, das ich im Salon der Tallien getragen hatte. »In Himmelblau«, wiederholte der Kaiser, erinnerte sich zweifellos an mein Unglückskleid und wandte sich ab. Als er auf die Gruppe seiner Schwestern zutrat, öffnete Polette den Mund und sagte: »Sire, wir wollen nicht –« »Madame, Sie vergessen sich!«, kam es scharf wie ein Peitschenknall von Napoleon. Niemand darf nämlich den Kaiser ansprechen, ohne zuerst von ihm angeredet worden zu sein. Polette klappte den
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