Désirée
Fouché, ehemaliger Präsident des Jakobinerklubs, begibt sich sofort zu seinen alten Kameraden der äußersten Linken. Ein Jubelruf begrüßt ihn im Klub in der Rue du Bac … Kühl grüßt Fouché zurück. »Den Klub schließen!«, erklärt er nur. Lässt dann von Gendarmen den Saal räumen und versperrt ihn für immer. Die Französische Revolution ist offiziell beendet … Fouché hat seine eigene Meinung über das Amt eines Polizeiministers. Ämter und Ministerien, Beamte und Minister, Offiziere und Zivilpersonen stellt er unter Beobachtung. Das ist gar nicht so schwer, wenn man freigebig ist. Und der Polizeiminister hat einen geheimen Fonds, aus dem er seine Spitzel bezahlen kann. Wer steht in seinem Sold? Oder vielmehr – wer steht nicht in seinem Sold? Die Direktoren haben sich damals, als sie Napoleons Staatsstreich fürchteten, auf ihren Polizeiminister verlassen. Aber gerade den Tag, an dem Napoleons Soldaten in den Rat der Fünfhundert eindrangen, an dem das Direktorium gestürzt und Napoleon zum Ersten Konsul ausgerufen wurde – gerade diesen Tag verbrachte der Polizeiminister in seinem Bett. Er sei erkältet, hieß es. In der Nacht, die diesem Tag folgte, erwarteten Jean-Baptiste und ich den Haftbefehl, der nicht die Unterschrift des Ersten Konsuls getragen hätte. Sondern nur die seines soeben ernannten Polizeiministers: des Herrn Fouché. Was will er nun von mir?, fragte ich zum letzten Mal, als ich vor der Tür meines kleinen Salons stand. Dieser Massenmörder von Lyon, fiel mir ein. Alle nannten ihn damals so, wenn von den Todesurteilen, die Fouché während der Revolution in Lyonvollziehen ließ, gesprochen wurde. Zu dumm, dass mir das gerade jetzt einfällt. Dabei sieht er gar nicht wie ein Massenmörder aus! Ich bin ihm oft bei Empfängen in den Tuilerien begegnet. Fouché ist ein sehr sorgfältig angezogener Herr, auffallend blass, wahrscheinlich blutarm, er spricht höflich und leise mit halb geschlossenen Augen … Der Heeresbericht erwähnt Jean-Baptiste mit keinem Wort. Ich spüre genau, was geschehen ist. Aber ich habe kein schlechtes Gewissen, Monsieur Fouché. Nur Angst habe ich, solche Angst. Als ich eintrat, sprang er sofort auf. »Ich komme, um Ihnen zu gratulieren, Fürstin – wir haben einen großen Sieg errungen, und ich lese, dass der Fürst von Ponte Corvo und seine sächsischen Truppen die Ersten waren, die Wagram erstürmt haben. Außerdem lese ich, dass der Fürst von Ponte Corvo mit sieben- bis achttausend Soldaten den Widerstand von 40 000 Mann niedergekämpft und Wagram erobert hat.«
»Ja, aber – davon steht doch nichts in der Zeitung«, stammelte ich und ersuchte ihn, sich wieder zu setzen. »Ich habe auch nur gesagt, dass ich das gelesen habe, liebe Fürstin. Aber nicht, wo ich es las. Nein, es steht nicht in der Zeitung. Sondern in einem Tagesbefehl, den Ihr Gatte an seine sächsischen Truppen gerichtet hat, um ihre Tapferkeit zu rühmen.« Er machte eine Pause, nahm eine kleine Bonbonniere aus Dresdener Porzellan von einem Tischchen, das zwischen uns stand, und betrachtete es interessiert. »Ich habe übrigens noch etwas anderes gelesen. Die Abschrift eines Briefes Seiner Majestät an den Fürsten von Ponte Corvo. Der Kaiser drückt darin sein ausgesprochenes Missfallen am Tagesbefehl des Fürsten von Ponte Corvo aus. Seine Majestät erklärt sogar, dass dieser Tagesbefehl eine Menge Ungenauigkeiten enthalte. Zum Beispiel, dass Oudinot Wagram eingenommen habe und dass es daher unmöglich sei, dass der Fürst von PonteCorvo den Ort zuerst erstürmte. Ferner konnten sich die Sachsen unter der Führung Ihres Gatten durchaus nicht auszeichnen, da sie nicht einen einzigen Schuss abgefeuert hätten. Im Übrigen sei es Seiner Majestät ein Bedürfnis, den Fürsten von Ponte Corvo wissen zu lassen, dass er sich in diesem Feldzug in keiner Weise bemerkbar gemacht habe.« »Das – das hat der Kaiser an Jean-Baptiste geschrieben –?«, flüsterte ich fassungslos. Fouché stellte vorsichtig die Bonbonniere zurück. »Darüber besteht kein Zweifel. Denn die Abschrift des kaiserlichen Briefes war einem Schreiben an mich beigelegt. Ich habe Befehl erhalten –« Wieder machte er eine Pause. Blickte mir voll, aber freundlich ins Gesicht: »Die Person des Fürsten von Ponte Corvo und seine Korrespondenz zu überwachen.«
»Das wird schwer gehen, Herr Minister. Mein Mann befindet sich ja mit seinen Truppen in Österreich.«
»Sie irren, verehrte Fürstin, der Fürst von Ponte
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