Désirée
Corvo wird jeden Augenblick in Paris eintreffen. Er hat nach diesem Briefwechsel Seiner Majestät den Oberbefehl über seine Truppen zurückgegeben und aus Gesundheitsrücksichten um Urlaub gebeten. Der Urlaub ist ihm auf unbegrenzte Zeit bewilligt worden. Ich beglückwünsche Sie, Fürstin, Sie haben Ihren Mann schon lange nicht gesehen, ein sehr baldiges Wiedersehen steht Ihnen bevor!« Wozu ihm Komödie vorspielen? Das versuchen alle, daran ist er gewöhnt. »Darf ich einen Augenblick nachdenken?« Ein amüsiertes Lächeln huschte über sein Gesicht. »Worüber, verehrte Fürstin?« Ich presste die Hand an die Stirn. »Über das Ganze. Ich bin nicht sehr klug, Herr Minister, bitte nicht widersprechen, ich muss nachdenken, was sich da abgespielt hat. Sie sagen, dass mein Mann schreibt, seine sächsischen Truppen hätten sich ausgezeichnet, nicht wahr?« »Wie aus Erz gemeißelt standen sie da. Zumindest schreibt das der Fürst in seinem Tagesbefehl.«
»Und warum ärgert sich der Kaiser über die erzenen Truppen meines Mannes?«
»In einem geheimen Rundschreiben an alle Marschälle erklärt der Kaiser: Seine Majestät der Kaiser kommandiert persönlich seine Truppen, und es steht bei ihm allein, einzelne Truppenformationen zu rühmen. Außerdem verdankt die Armee ihre Siege französischen und nicht ausländischen Soldaten. Das lässt sich weder mit unserer Politik noch mit unserer Ehre vereinbaren … So ungefähr lautet das Rundschreiben des Kaisers an die Marschälle.«
»Irgendjemand hat mir erst neulich erzählt, dass mein Mann sich beim Kaiser beklagt hat, weil er ihm lauter ausländische Regimenter zuteilt. Jean-Baptiste hat ja wirklich alles getan, um ausschließlich französische Truppen zu kommandieren und diese armen Sachsen loszuwerden!«
»Warum – arme Sachsen?«, erkundigte sich Fouché. »Der König von Sachsen schickt seine Burschen in Schlachten, die sie doch nichts angehen. Wozu schlagen sich eigentlich die Sachsen bei Wagram?«
»Sie sind Frankreichs Alliierte, Fürstin. Aber sehen Sie nicht selbst, wie klug es vom Kaiser war, den Fürsten von Ponte Corvo die sächsischen Regimenter kommandieren zu lassen?« Ich gab keine Antwort. »Wie aus Erz gegossen standen sie da. Die Sachsen nämlich unter dem Befehl Ihres Mannes, Fürstin.« »Aber der Kaiser sagt doch, dass es nicht wahr sei!« »Nein, der Kaiser sagt nur, dass ihm allein das Recht zustehe, Truppenformationen zu loben. Und dass es unpolitisch ist und mit unserer nationalen Ehre nicht vereinbar, fremde Truppen zu rühmen. Sie haben mir nicht genau zugehört, Fürstin!« Ich muss seine Zimmer in Ordnung bringen lassen, er kommt nach Hause, fiel mir ein. Ich stand auf. »Verzeihen Sie mir, Exzellenz, ich will alles für Jean-Baptistes Empfang herrichten lassen. Und ich danke Ihnen sehr für Ihren Besuch, ich weiß zwarnicht –« Er stand dicht vor mir. Mittelgroß, schmalbrüstig, ein wenig vorgeneigt. Die lange Spürnase mit den etwas geblähten Nasenflügeln schien zu schnüffeln. »Was wissen Sie nicht, liebe Fürstin?« »Was Sie eigentlich zu mir geführt hat. Wollten Sie mir sagen, dass Sie meinen Mann unter Beobachtung stellen? Daran kann ich Sie nicht hindern, es ist mir auch ganz gleichgültig, aber – wozu erzählen Sie es mir eigentlich?«
»Können Sie es wirklich nicht erraten, verehrte Fürstin?« Ein Gedanke durchfuhr mich. Ich spürte, wie ich dunkelrot vor Empörung wurde. Jetzt ersticke ich vor Wut, dachte ich. Aber man erstickt natürlich nicht vor Wut. Im Gegenteil, ich sagte sehr laut und klar: »Herr Minister, wenn Sie sich vorgestellt haben, dass ich Ihnen helfen werde, meinen Mann zu bespitzeln, so haben Sie sich geirrt.« Dann wollte ich mit großer Geste die Hand heben und »Hinaus!« schreien. Aber leider liegt mir das nicht. »Wenn ich das angenommen hätte, dann hätte ich mich eben geirrt«, sagte er ruhig. »Vielleicht habe ich es angenommen, vielleicht auch nicht. Fürstin, in diesem Augenblick weiß ich es selbst nicht.« Wozu das Ganze, fragte ich mich, wozu? Wenn uns der Kaiser verbannen will, so wird er uns verbannen. Wenn er Jean-Baptiste vor ein Kriegsgericht stellen will, so wird er ihn vor ein Kriegsgericht stellen. Wenn er Gründe sucht, so wird sein Polizeiminister sie finden. Wir leben ja nicht mehr in einem Rechtsstaat … »Die meisten Frauen haben unbezahlte Rechnungen bei ihrer Schneiderin«, bemerkte Fouché leise. Ich fuhr auf: »Jetzt sind Sie zu weit gegangen, Monsieur!«
»Unsere
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