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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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Güte dankt und ganz fest davon überzeugt ist, dass diese Scheidung notwendig sei, damit Frankreich später einmal von einem direkten Nachkommen des Kaisers regiert werden kann. Aber die Auflösung ihrer Ehe könne in keiner Weise die Gefühle ihres Herzens verändern … Das alles hat Regnaud heruntergeleiert, als ob es sich um eine Verordnung handeln würde. Und sie hat ununterbrochen herzzerbrechend geschluchzt.«
    »Und nachher?«
    »Nachher gingen wir als Mitglieder der Familie ins große Arbeitszimmer des Kaisers. Napoleon und die Kaiserin haben die Scheidungsurkunde unterschrieben, und nach ihnen haben wir als Zeugen unterzeichnet. Hortense und Eugène führten ihre weinende Mutter hinaus, und Jérôme sagte: ›Ich habe Hunger!‹ Der Kaiser hat ihn angeschaut, als ob er ihm vor uns allen eine Ohrfeige geben wollte. Dann hat er sich nur umgewandt und bemerkt: ›Ich glaube, man hat im großen Saal einen kleinen Imbiss für meine Familie vorbereiten lassen. Ich bitte, mich zu entschuldigen.‹ Während er verschwand, stürzten alle zum Büfett. Da sah ich Jean-Baptiste, der bereits im Weggehen war. Ich fragte ihn natürlich nach dir. So habe ich erfahren, dass du krank bist, und bin mit ihm hergekommen.«
    Sie machte eine Pause. »Deine Krone sitzt schief, Julie!« Sie trug wie bei allen offiziellen Empfängen ein Diadem in Form einer Krone, und wie immer saß es schief. Sie setzte sich vor meinen Toilettenspiegel, richtete sich das Haar, puderte sich die Nase und plapperte weiter: »Morgen früh verlässt sie die Tuilerien und fährt nach Malmaison. Der Kaiser hat ihr Malmaison geschenkt und alle Schulden bezahlt. Außerdem erhält sie eine Jahresrente von drei Millionen Francs, zwei Millionen muss der Staat bezahlen und eine Million der Kaiser. Außerdem schenkt ihr Napoleon noch 200 000 Francs für die neuen Pflanzen, die sie bereits für Malmaison bestellt hat, und 400 000 Francs für das Rubinhalsband, das sie bei einem Juwelier in Arbeit hat.«
    »Fährt Hortense mit ihr nach Malmaison?«
    »Sie wird sie wahrscheinlich morgen früh begleiten. Aber sie behält ihren Wohnsitz in den Tuilerien.«
    »Und ihr Sohn?«
    »Eugène bleibt Vizekönig von Italien. Angeblich wollte er zurücktreten, aber das lässt der Kaiser nicht zu.Schließlich hat er doch seinerzeit Josephines Kinder adoptiert. Stell dir vor, Hortense glaubt noch immer, dass ihr ältester Sohn Thronfolger wird. Sie ist verrückt. Die Habsburgerin, die der Kaiser heiratet, ist achtzehn Jahre alt und wird ihm eine Menge Prinzen zur Welt bringen. Die Habsburger sind so fruchtbar veranlagt …« Sie stand auf. »Ich muss jetzt gehen, Liebes.«
    »Wohin?«
    »Zurück in die Tuilerien. Die Bonapartes werden es mir übelnehmen, wenn ich nicht mit ihnen feiere.« Sie rückte die Krone zurecht: »Leb wohl, Désirée, gute Besserung!« Ich lag wieder lange mit geschlossenen Augen. Ein Bonaparte ist keine Partie für eine Tochter des François Clary. Julie hat sich an die Bonapartes und ihre Kronen gewöhnt. Sie hat sich sehr verändert. Mein Gott, wie sie sich verändert hat! Bin ich schuld daran? Ich habe die Bonapartes in unser Haus gebracht. In Papas bürgerlich schlichtes und sehr sauberes Haus. Das habe ich nicht gewollt, Papa, das nicht … An meinem Bett wurde ein Tischchen aufgestellt. Jean-Baptiste wünschte mit seiner kranken Frau zu speisen. Ich musste den ganzen Tag im Bett verbringen und schlief bereits am frühen Abend ein. Deshalb erschrak ich sehr, als plötzlich Marie und Madame La Flotte an meinem Bett standen: »Königin Hortense bittet, empfangen zu werden.«
    »Jetzt? Wie spät ist es denn?«, fragte ich. »Zwei Uhr früh.« »Was will sie denn? Haben Sie nicht gesagt, dass ich krank bin, Madame La Flotte?« Die Stimme der La Flotte überschlug sich vor Aufregung: »Natürlich. Aber die Königin von Holland lässt sich nicht abweisen. Sie bittet, trotzdem empfangen zu werden!«
    »Pst! Nicht so laut, Sie wecken ja das ganze Haus auf!« Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen. »Die Königin von Holland ist sehr aufgeregt und weint«, teilte mir die LaFlotte mit. Sie trug einen kostbaren Schlafrock, die Ärmel waren mit Hermelin besetzt. Wahrscheinlich bezahlt Fouché ihre Schneiderrechnungen, ging es mir durch den Kopf. »Marie, gib der Königin von Holland eine Tasse heiße Schokolade, das wird sie beruhigen«, sagte ich. »Madame La Flotte, sagen Sie der Königin, dass ich mich nicht wohl genug fühle, um sie zu empfangen.«

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