Désirée
Dänemark standen, hat es der Kaiser Ihrem Gutdünken überlassen, Schweden anzugreifen. Ich erinnere mich, Ihnen diesbezüglich geschrieben zu haben. Aber Sie haben sich damit begnügt, von Dänemark aus hinüber nach Schweden zu blicken und – nichts unternommen. Warum eigentlich? Ich wollte Sie schon immer danach fragen.«
»Sie sagen selbst, der Kaiser hat es meinem Gutdünken überlassen. Er wollte damals dem Zaren behilflich sein, Finnland zu erobern. Nun, unsere Hilfe war nicht notwendig. Es genügte, wie Sie sehr richtig bemerkten, Exzellenz, von Dänemark aus nach Schweden hinüberzuschauen.«
»Und – die Aussicht? Wie hat Ihnen die Aussicht auf Schweden gefallen, lieber Freund?« Jean-Baptiste zuckte die Achseln. »In klaren Nächten sieht man von Dänemark aus die Lichter an der schwedischen Küste. Aber die Nächte waren meistens neblig. Ich habe die Lichter seltengesehen.« Talleyrand neigte sich vor und tippte mit dem Goldknauf des Spazierstockes, den er wegen seines steifen Fußgelenkes immer bei sich trägt, ein wenig an sein Kinn. Warum ihn dieses Gespräch amüsierte, kann ich nicht begreifen. »Viele Lichter in Schweden, lieber Freund?« Jean-Baptiste legte den Kopf etwas schief, lächelte. Auch ihm schien das Gespräch großen Spaß zu machen. »Nein, wenig Lichter. Schweden ist ein armes Land. Eine Großmacht von vorgestern.«
»Vielleicht auch eine Großmacht von – morgen?« Jean-Baptiste schüttelte den Kopf. »Nicht auf politischem Gebiet. Aber vielleicht auf anderem. Ich weiß es nicht. Jedes Volk hat Möglichkeiten, wenn es seine große Vergangenheit vergessen will.« Talleyrand lächelte: »Auch jeder Mensch hat Möglichkeiten, wenn er seine – kleine Vergangenheit vergessen kann. Wir kennen Beispiele, lieber Fürst!«
»Sie haben es leicht, Exzellenz, Sie kommen aus adeligem Haus und durften in Ihrer Jugend studieren. Leichter, viel leichter als die Beispiele, auf die Sie anspielen.« Das saß. Talleyrand lächelte plötzlich nicht mehr. »Ich habe diese Zurechtweisung verdient, mein Fürst«, sagte er ruhig. »Der ehemalige Bischof bittet den ehemaligen Sergeanten um Verzeihung.« Wartete er auf ein Lächeln Jean-Baptistes? Wahrscheinlich. Aber Jean-Baptiste saß vorgeneigt, stützte das Kinn in die Hand und sah nicht auf. »Ich bin müde, Exzellenz«, sagte er nur. »Müde Ihrer Fragen, müde der Beobachtung des Polizeiministers, müde des Misstrauens. Müde, Fürst von Benevent, sehr müde.« Talleyrand erhob sich sofort. »Dann werde ich mich beeilen, meine Bitte vorzutragen, und sofort gehen!« Jean-Baptiste war aufgestanden: »Eine Bitte? Ich wüsste nicht, womit ein in Ungnade gefallener Marschall dem Außenministerium dienen könnte.«
»Sehen Sie, lieber Ponte Corvo – es handelt sich um Schweden. Merkwürdiger Zufall, dass wir gerade von Schweden gesprochen haben … Ich habe gestern erfahren, dass der schwedische Staatsrat einige Herren nach Paris gesandt hat, die über die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen ihrem und unserem Land verhandeln sollen. Schließlich haben ja die Schweden diesen jungen und zweifellos irrsinnigen König verbannt und seinen bejahrten und zweifellos senilen Onkel auf den Thron gesetzt, um diese guten Beziehungen herzustellen. Diese Herren – ich weiß nicht, ob Ihnen die Namen etwas sagen, ein Herr von Essen und ein Graf Peyron – haben in Paris nach Ihnen gefragt.« Eine tiefe Falte grub sich über Jean-Baptistes Nasenwurzel ein. »Diese Namen sagen mir nichts. Ich weiß nicht, warum die Herren nach mir fragen.« »Die jungen Offiziere, mit denen Sie seinerzeit nach dem Sturm auf Lübeck soupiert haben, sprechen sehr viel von Ihnen. Man hält Sie für einen Freund des – mhm, des hohen Nordens, lieber Ponte Corvo. Und diese Herren, die als schwedische Unterhändler nach Paris kamen, hoffen wahrscheinlich, dass Sie ein gutes Wort für ihr Land beim Kaiser einlegen werden.« »Sie sehen, man ist in Stockholm schlecht unterrichtet«, murmelte Jean-Baptiste. »Ich möchte Sie bitten, diese Herren zu empfangen«, sagte Talleyrand ausdruckslos. Jean-Baptiste zog die Brauen noch dichter zusammen. »Wozu? Kann ich den Herren beim Kaiser behilflich sein? Nein. Oder wollen Sie dem Kaiser einreden, dass ich mich in auswärtige Angelegenheiten, die mich nichts angehen, einmische? Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Exzellenz, wenn Sie mir klipp und klar sagen würden, was Sie eigentlich wollen.«
»Es ist doch so einfach«, sagte
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