Désirée
nach Versailles geritten. Er beabsichtigt, einige Tage bei seiner Mutter zu verbringen«, sagte Hortense. Auf der ganzen Fahrt nach Malmaison wurde kein Wort mehr gesprochen.
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Paris, Ende Juni 1810.
S ie schaut leider wirklich wie eine Wurst aus. Die neue Kaiserin nämlich. Die Hochzeitsfeierlichkeiten sind vorüber, und der Kaiser hat angeblich fünf Millionen Francs verbraucht, um Marie-Luises Zimmer in den Tuilerien auszuschmücken. Zuerst wurde der Marschall Berthier im März als Brautwerber nach Wien geschickt. Dann wurde in Wien Hochzeit gefeiert, der Kaiser ließ sich vom Onkel der Braut, dem Erzherzog Karl, der Napoleon seinerzeit bei Aspern geschlagen hat, vertreten. Schließlich wurde Caroline an die Grenze geschickt, um die angetraute Gattin des Kaisers zu empfangen. Bei Courcelles wurden die Wagen der beiden Damen von zwei unbekannten Reitern angehalten. Es regnete in Strömen, die beiden Unbekannten rissen den Wagenschlag auf und drängten sich in die Kutsche. Marie-Luise schrie natürlich auf, aber Caroline beruhigte sie: »Es ist nur Ihr Gatte, der Kaiser, liebe Schwägerin – und mein Mann, der kindische Murat!« Im Schloss von Compiègne wurde übernachtet, und Napoleon frühstückte am nächsten Morgen bereits an Marie-Luises Bett. Als Onkel Fesch das Kaiserpaar in Paris traute, war die Hochzeitsnacht längst vorüber. Während der ersten Monate durfte die Kaiserin keine großen Empfänge abhalten. Aus irgendeinem Grunde bildet sich Napoleon ein, dass Frauen leichter in Hoffnung kommen, wenn sie sich nicht zu sehr überanstrengen. Aber schließlich konnte er es nicht länger aufschieben, und gestern wurden wir gemeinsam mit allen anderen Marschällen, Generälen, Gesandten, Würdenträgern, echten und unechten Fürsten in die Tuilerien gebeten, um der neuen Kaiserin vorgestellt zu werden. Es war alles wie – seinerzeit. Der große Ballsaal und die tausend Kerzen, das Gedränge der Uniformen,Hoftoiletten mit langen Schleppen, über die man stolperte, weil immer irgendjemand irgendjemandem auf die Schleppe trat, Aufklingen der Marseillaise, Auffliegen der Flügeltüren am Ende des Saales, Erscheinen des Kaisers und der Kaiserin. In Österreich bilden sie sich anscheinend ein, dass jungvermählte Frauen Rosa tragen müssen. Marie-Luise war in ein eng geschnittenes rosa Satinkleid gepresst und über und über mit Brillanten behängt. Sie ist viel größer als der Kaiser, und trotz ihrer Jugend hat sie einen schweren Busen, den sie sichtlich einschnürt. Auch ihr Gesicht ist rosa und sehr voll und beinahe gar nicht geschminkt. Sie wirkt sehr natürlich neben den gemalten Hofdamen, aber etwas mehr Puder auf der glänzenden Nase und den roten Wangen hätte nicht geschadet. Ihre Augen sind blassblau, groß, etwas hervorstehend. Schön sind die Haare, goldbraun, sehr dicht und in einer kunstvollen Frisur aufgesteckt. Erinnert sich noch jemand an Josephines flaumleichte Kinderlöckchen?
Marie-Luise lächelte ununterbrochen. Es schien sie nicht anzustrengen. Aber schließlich ist sie die Tochter eines wirklichen Kaisers und dazu erzogen worden, zweitausend Menschen auf einmal anzulächeln. Sie hat die Truppen ihres Vaters gegen Napoleon in den Krieg ziehen sehen und die Besetzung Wiens erlebt. Sie muss den Kaiser von Kindheit an gehasst haben, lange bevor sie ihn sah. Dann hat ihr Vater sie mit Napoleon verheiratet. In Compiègne wurde sie – seien wir ehrlich – mehr oder weniger vergewaltigt. Ein junges Mädchen, das in einem Schloss von ältlichen Gouvernanten erzogen wurde. Marie-Luise hat sicher ununterbrochen gelächelt. Das Kaiserpaar stand vor uns. Ich versank in meinen Knicks. »Und dies ist die Fürstin von Ponte Corvo, die Schwägerin meines Bruders Joseph«, hörte ich Napoleons gelangweilte Stimme. »Der Fürst von Ponte Corvo ist Marschall von Frankreich.« Ichküsste ihren mit Jasminduft parfümierten Handschuh. Ich hätte schwören können, dass sie Jasminduft von allen Düften wählt. Die blassblauen Augen begegneten den meinen. Wie aus Porzellan waren sie und lächelten ausdruckslos. Als das Kaiserpaar auf den Thronsesseln Platz genommen hatte, spielte die Kapelle einen Wiener Walzer. Julie kam auf mich zu. »Reizend –« Gleichzeitig musterte sie meine neue Toilette. Sie trug purpurnen Samt und die Kronjuwelen von Spanien. Ihre Krone saß natürlich schief. »Mir tun die Füße weh«, sagte sie. »Komm, im Salon nebenan können wir uns niedersetzen!« Beim Eingang des
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