Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
Vom Netzwerk:
Salons stieß ich auf Hortense. Sie trug plötzlich Weiß wie seinerzeit ihre Mutter. Hortense hatte sich dem Grafen Flahault, ihrem Stallmeister, zugewandt und blickte ihm tief in die Augen. Julie ließ sich auf ein Sofa fallen und rückte ihre Krone zurecht. Wir tranken durstig den Champagner, den man uns reichte. »Ob sie daran denkt, dass hier in den Tuilerien früher ihre Tante gewohnt hat?«, fiel mir plötzlich ein. Julie schaute mich erstaunt an. »Ich bitte dich! An diesem Kaiserhof findest du niemanden, der eine Tante hatte, die in den Tuilerien gewohnt hat!«
    »Doch, die neue Kaiserin, sie ist die Großnichte der Königin Marie Antoinette.«
    »Königin Marie Antoinette«, sagte Julie, und ihre Augen wurden plötzlich weit vor Angst. »Ja, Julie Clary – auch eine Königin! Prost, Liebes, und denk nicht an sie!« Ich trank ihr zu. Marie-Luise hat viele Gründe, uns zu hassen, fiel mir ein. »Sag einmal, lächelt die Kaiserin immer?«, erkundigte ich mich bei Julie, die ihre neue Schwägerin bereits mehrere Male gesehen hat. »Immer«, nickte Julie ernst. »Und ich werde meine Töchter auch dazu erziehen. Prinzessinnen lächeln anscheinend ununterbrochen.« Bittersüßer Duft eines exotischen Parfüms unterbrach uns – Polette. Viel angenehmer als Jasmin. Polettelegte ihren Arm um meinen Hals. »Der Kaiser bildet sich ein, dass Marie-Luise in Hoffnung ist.« Sie stöhnte vor Lachen. »Seit wann?«, fragte Julie aufgeregt. »Seit gestern.« Der exotische Duft glitt weiter. Julie stand auf. »Ich muss in den Thronsaal zurück. Der Kaiser sieht seine Familienmitglieder gern in der Nähe des Thrones.« Meine Augen suchten Jean-Baptiste. Er lehnte an einem der Fenster und betrachtete gleichgültig das Gedränge. Ich trat neben ihn. »Können wir nicht nach Hause gehen?« Er nickte und nahm ganz leicht meinen Arm. Plötzlich verstellte uns Talleyrand den Weg. »Ich suche Sie, lieber Fürst, diese Herren hier haben mich nämlich gebeten, Ihnen vorgestellt zu werden.« Hinter ihm standen einige hoch gewachsene Offiziere in ausländischer Uniform. Dunkelblau mit blaugelben Schärpen. »Graf Brahe, ein Mitglied der schwedischen Botschaft. Oberst Wrede, der kürzlich hier eingetroffen ist, um dem Kaiser anlässlich seiner Vermählung die Glückwünsche Seiner Majestät des Königs von Schweden zu überbringen. Und Leutnant Baron Karl Otto Mörner, der heute früh als Kurier mit einer tragischen Meldung aus Stockholm hier angekommen ist. Übrigens ein Cousin jenes Mörner, lieber Fürst, den Sie einst in Lübeck gefangen nahmen. Sie erinnern sich doch an ihn?«
    »Wir stehen in Korrespondenz«, sagte Jean-Baptiste ruhig und ließ seinen Blick von einem Schweden zum anderen gleiten. »Sie sind einer der Führer der so genannten Unionspartei in Schweden, nicht wahr, Oberst Wrede?« Der hoch gewachsene Mann verbeugte sich. Talleyrand wandte sich mir zu: »Sie sehen, verehrte Fürstin, wie genau Ihr Gatte über die nordischen Verhältnisse orientiert ist. Die Unionspartei erstrebt nämlich den Anschluss Norwegens an Schweden.« Ein höfliches Lächeln umspielte Jean-Baptistes Mund. Er hielt noch immer meinen Arm.Jetzt betrachtete er Mörner. Der dunkle, stark untersetzte Mann mit dem kurz geschnittenen, an den Schläfen in die Stirn gestrichenen Haar suchte seinen Blick. »Ich bin in tragischer Mission hier, Fürst«, sagte er in fließendem, etwas hartem Französisch. »Ich überbringe die Mitteilung, dass der schwedische Thronfolger, Seine Königliche Hoheit Prinz Christian August von Augustenburg, bei einem Unfall ums Leben gekommen ist.« Ich hätte aufschreien mögen, so fest umspannten plötzlich Jean-Baptistes Finger meinen Arm. Nur den Bruchteil einer Sekunde. »Wie furchtbar«, sagte er ruhig. »Ich drücke den Herren mein tief empfundenes Beileid aus.« Eine Pause entstand. Ein paar Walzertakte wehten herüber. Warum gehen wir nicht? Das Ganze geht uns doch gar nichts an. Jetzt muss sich eben der kinderlose schwedische König nach einem neuen Thronfolger umsehen, gehen wir doch – »Wurde bereits ein Nachfolger des verstorbenen Thronfolgers ausersehen?«, fragte Talleyrand. Es klang beiläufig, höflich interessiert. Da fiel mein Blick zufällig auf Mörner. Wie sonderbar: Der starrte noch immer Jean-Baptiste an. Mit einem eigentümlichen Blick. Als ob er ihm irgendwelche Gedanken übermitteln wollte. Um Gottes willen, was wollen sie denn von meinem Mann? Er kann ihnen ihren verstorbenen Augustenburg nicht

Weitere Kostenlose Bücher