Désirée
ich als französischer Bürger die Thronfolge in Schweden antretenwerde?« Ein ungläubiges Staunen breitete sich über das Gesicht des Grafen von Essen. Aber ich dachte, nicht richtig gehört zu haben. »Ich werde morgen ein Gesuch an den Kaiser von Frankreich richten und Seine Majestät bitten, meine Familie und mich aus dem französischen Staatsverband zu entlassen. Ah, der Wein! Fernand – öffne alle Flaschen!« Fernand stellte triumphierend die verstaubten Flaschen auf ein Tischchen. Diese Flaschen habe ich von Sceaux in die Rue du Rocher und von dort in die Rue d’Anjou übersiedelt. »Als ich den Wein kaufte, war ich Kriegsminister«, sagte Jean-Baptiste. »Damals ist Oscar auf die Welt gekommen, und ich habe zu meiner Frau gesagt: ›Diese Flaschen öffnen wir an dem Tag, an dem der Junge in die französische Armee eintreten wird.‹« Fernand hatte die erste Flasche entkorkt. »Ich werde nämlich Musiker, Monsieur«, hörte ich Oscars Kinderstimme. Er hielt noch immer die Hand des jungen Brahe fest. »Und dabei wünscht sich Mama, dass ich Seidenhändler werde. Wie Großpapa Clary.« Sogar der müde Mörner lachte. Nur Feldmarschall von Essen verzog keine Miene. Fernand füllte die Gläser mit dem dunklen Wein. »Königliche Hoheit werden jetzt das erste schwedische Wort lernen. Es heißt ›Skal‹ und bedeutet ›Santé‹«, sagte der junge Graf Brahe. »Ich möchte auf das Wohl Seiner Königlichen Ho –« Weiter kam er nicht, Jean-Baptiste hob ablehnend die Hand. »Meine Herren, ich bitte Sie, dieses Glas mit mir auf das Wohl Seiner Majestät, des Königs von Schweden, meines gütigen Adoptivvaters, zu leeren!« Sie tranken langsam und ernst. Ich träume, dachte ich und trank den kostbaren Wein, ich liege in meinem Bett und träume … jemand schrie: »Auf das Wohl Seiner Königlichen Hoheit, des Kronprinzen Carl Johan!« – »Han skal leve –«, klang es durcheinander. Was bedeutet das? Ist das vielleicht – Schwedisch? Ich saß auf dem kleinen Sofa neben demKamin. Man hat mich mitten in der Nacht aufgeweckt und mir mitgeteilt, dass der schwedische König meinen Mann an Sohnes Statt annehmen will. Mein Mann wird dadurch Kronprinz von Schweden. Ich habe immer geglaubt, dass man nur kleine Kinder adoptiert. Schweden, gleich beim Nordpol. Stockholm, die Stadt, über der der Himmel wie eine frisch gewaschene Bettdecke liegt. Morgen wird Persson alles in der Zeitung lesen. Und wird nicht wissen, dass die Fürstin von Ponte Corvo, die Gemahlin des neuen Thronfolgers, die kleine Clary von damals ist … »Mama, die Herren sagen, dass ich jetzt Herzog von Södermanland heiße«, sagte Oscar. Seine Wangen waren rot vor Aufregung. »Marie – das Kind darf doch nicht reinen Wein trinken, misch etwas Wasser in Oscars Glas!« Aber Marie war verschwunden. Die La Flotte nahm Oscars Glas mit Hofknicks entgegen. »Wieso Herzog von Södermanland, Liebling?«
»Eigentlich führt in Schweden immer der Bruder des Kronprinzen diesen Titel«, sagte der junge Baron Friesendorff eifrig. »Aber da in diesem Fall –« Er stockte und wurde rot. »Aber da in diesem Fall der Kronprinz nicht beabsichtigt, seinen Bruder nach Schweden mitzunehmen, wird sein Sohn diesen Titel führen«, sagte Jean-Baptiste ruhig. »Mein Bruder lebt in Pau, ich wünsche nicht, dass er seinen Wohnsitz verändert.« – »Ich dachte, Königliche Hoheit hätten keinen Bruder«, entfuhr es Graf Brahe. »Ich habe meinen Bruder Jura studieren lassen, damit er nicht Zeit seines Lebens Schreiber bei einem Advokaten bleiben muss, wie mein verstorbener Papa. Mein Bruder ist Advokat, meine Herren.« – Im gleichen Augenblick fragte Oscar: »Freust du dich auf Schweden, Mama?« Es wurde plötzlich sehr still um mich. Alle wollten meine Antwort hören. Erwartet man denn, dass ich – nein, nein, das können sie nicht erwarten, ich bin doch hier zu Hause, ich bindoch Französin, ich … Da fiel es mir wieder ein! Jean-Baptiste wünscht, dass wir aus dem französischen Staatsverband entlassen werden. Ich bin Kronprinzessin in einem Land, das ich nicht kenne, in dem es uralte Grafengeschlechter gibt und nur richtige Barone, nicht lauter neue Adelige wie bei uns in Frankreich. Ich habe genau gesehen, wie sie gelächelt haben, als Oscar sagte, dass mein Papa Seidenhändler war. Nur der Graf von Essen hat nicht gelächelt, der hat sich geschämt. Geschämt für den schwedischen Hof … »Sag doch, dass du dich freust, Mama!«, drängte Oscar. »Ich kenne
Weitere Kostenlose Bücher