Désirée
gefischt. Und dir bietet sie ein Volk mit seinem König an der Spitze an, dachte ich staunend. »Ja, Jean-Baptiste, ich weiß, worum es geht.« »Und du kommst mit mir und Oscar nach Schweden?« »Wenn ich wirklich die – Erwünschte bin. Und –« Endlich hatte ich seine Hand gefunden, endlich konnte ich meine Wange an sie pressen. Wie ich ihn liebe, mein Gott, wie ich ihn liebe! »Und wenn du mir schwörst, dass du mich nie Desideria nennen wirst!« »Ich schwöre, mein kleines Mädchen.« »Dann lass die Kronprinzessin des Eiszapfenlandes endlich ihre unterbrochene Nachtruhe aufnehmen und begib dich in dein kaltes Bad, CarlJohan!« »Versuche es mit Charles Jean. An Carl Johan muss ich mich erst langsam gewöhnen.« »Wie ich dich kenne, wirst du dich schnell daran gewöhnen. Und küss mich noch einmal, ich möchte wissen, wie ein Kronprinz küsst.«
»Nun – wie küsst ein Kronprinz?«
»Ausgesprochen gut. Genauso wie mein alter Jean-Baptiste Bernadotte.«
Ich schlief lange und unruhig. Erwachte mit dem Gefühl, dass etwas Furchtbares geschehen war. Ich sah auf die Uhr auf dem Nachttisch. Zwei Uhr. Zwei Uhr nachts oder zwei Uhr nachmittags? Ich hörte Oscars Stimme im Garten. Dann eine fremde Männerstimme. Durch die geschlossenen Fensterläden drang Tageslicht. Wie kommt es, dass ich bis jetzt geschlafen habe? In meiner Brust lag ein Klumpen. Es ist etwas geschehen, aber – was? Ich läutete. Die La Flotte und meine Vorleserin kamen gleichzeitig herein. Versanken in einen Hofknicks. »Königliche Hoheit befehlen?« Da fiel es mir ein. Weiterschlafen, dachte ich verzweifelt. Nichts wissen, nichts denken, weiterschlafen. »Die Königinnen von Spanien und Holland haben anfragen lassen, wann Königliche Hoheit sie empfangen will«, meldete Madame La Flotte. »Wo ist mein Mann?« »Seine Königliche Hoheit hat sich mit den schwedischen Herren in sein Arbeitskabinett eingeschlossen.«
»Mit wem spielt Oscar im Garten?«
»Der Erbprinz spielt mit dem Grafen Brahe Ball.«
»Graf Brahe –?«
»Der junge schwedische Graf«, sagte Madame La Flotte eindringlich und lächelte verzückt. »Oscar hat eine Fensterscheibe im Speisezimmer eingeschlagen«, fügte meine Vorleserin hinzu. »Scherben bedeuten Glück«, kam es von Madame La Flotte. »Ich habe entsetzlichen Hunger«, konstatierte ich. Meine Vorleserin versank in einenHofknicks und verschwand. »Welchen Bescheid darf ich den Majestäten von Spanien und Holland übermitteln?«, beharrte Madame La Flotte. »Ich habe Kopfweh und Hunger und will außer meiner Schwester niemanden sehen. Bestellen Sie der Königin von Holland, dass – ach was, Sie werden schon irgendetwas finden, was Sie ihr sagen können! Und jetzt möchte ich gern allein sein.« Die La Flotte versank in einen Knicks. Diese Knickserei macht mich noch wahnsinnig. Ich werde es verbieten. Nach dem Frühstück oder Mittagessen, ich weiß nicht, wie man diese Mahlzeit nennen soll, stand ich auf. Yvette knickste herein, und ich sagte: »Hinaus!« Dann zog ich das einfachste Kleid an, das ich besitze, und setzte mich an den Toilettentisch. Desideria, Kronprinzessin von Schweden. Ehemalige Seidenhändlerstochter aus Marseille, Gattin eines ehemaligen französischen Generals. Alles, was mir lieb und vertraut ist, scheint plötzlich ehemalig zu sein. In zwei Monaten bin ich dreißig Jahre alt. Sieht man mir das an? Mein Gesicht ist rund und glatt. Zu rundlich sogar, ich werde keine Schlagsahne mehr essen. Um die Augen habe ich kleine Fältchen, hoffentlich nur Lachfalten. Ich verzog den Mund und versuchte zu lachen. Die Fältchen vertieften sich. Desideria, lachte ich, Desideria! Ein abscheulicher Name. Ich habe meine Schwiegermutter nie gekannt. Aber Schwiegermütter sollen ein unlösbares Problem darstellen, sind Adoptiv-Schwiegermütter angenehmer? Ich weiß nicht einmal, wie meine Schwiegermutter heißt. Und warum die Schweden gerade Jean-Baptiste zum Kronprinzen gewählt haben … Ich öffnete die Fensterläden und sah in den Garten hinunter. »Sie zielen direkt auf Mamas Rosen, Herr Graf!«, schrie Oscar. »Königliche Hoheit müssen den Ball auffangen – Achtung, ich werfe!«, rief der junge Brahe. Brahe warf hart, Oscar wankte, als er den Ball auffing. Aber – er fing ihn auf. »Glauben Sie, dass ichjemals Schlachten gewinnen kann wie der Papa?«, schrie Oscar über den Rasen. »Den Ball zurückwerfen, aber scharf!«, kommandierte Brahe. Oscar knallte ihm den Ball an die Brust. Brahe fing ihn
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