Désirée
Essen.« Der ältere Mann schlug die Hacken zusammen, sein Gesicht war starr. Jean-Baptiste nickte: »Sie waren Generalgouverneur in Pommern, Sie haben Pommern damals ausgezeichnet gegen mich verteidigt, Herr Feldmarschall!« »Oberst Wrede«, fuhr Mörner fort. »Wir kennen einander.« Jean-Baptistes Blick fiel auf den Bogen Papier, den Wrede plötzlich hervorgezogen hatte. »Graf Brahe, ein Mitglied der schwedischen Botschaft in Paris.« Der junge Mann von neulich verbeugte sich. »Baron Friesendorff, Adjutant des Feldmarschalls Graf von Essen.« »Auch einer Ihrer Gefangenen aus Lübeck, Hoheit«, lächelte Friesendorff. Mörner, Friesendorff und der junge Brahe starrten mitleuchtenden Augen auf Jean-Baptiste. Wrede wartete mit zusammengezogenen Brauen. Das Gesicht des Feldmarschalls von Essen war ausdruckslos, nur die zusammengepressten Lippen wirkten bitter. Es war so still, dass wir die Kerzen tropfen hörten. Jean-Baptiste atmete tief. »Ich nehme die Wahl des schwedischen Reichstages an.« Seine Augen hefteten sich auf Essen, den geschlagenen Gegner, den alternden Diener eines alternden kinderlosen Königs. Erschüttert und sehr eindringlich fügte er hinzu: »Ich danke Seiner Majestät König Carl XIII. und dem schwedischen Volk für das Vertrauen, das man mir entgegenbringt. Ich gelobe, alles daranzusetzen, um dieses Vertrauen zu rechtfertigen.« Graf von Essen senkte den Kopf. Senkte ihn tief, verbeugte sich. Und mit ihm verbeugten sich die anderen Schweden. In diesem Augenblick geschah etwas Seltsames. Oscar, der sich bis dahin überhaupt nicht gerührt hatte, trat einen Schritt vor und stand ganz dicht vor den Schweden. Dann wandte er sich um, und seine Kinderhand umfasste die Hand des jungen Brahe, der keine zehn Jahre älter ist als er selbst. Mitten unter den Schweden stand er und senkte den Kopf ebenso tief wie sie, senkte ihn vor seinem Papa und seiner Mama. Jean-Baptiste suchte meine Hand, wie ein schützendes Dach lagen seine Finger über den meinen. »Die Kronprinzessin und ich danken Ihnen, dass Sie uns als Erste diese Botschaft überbracht haben.« Dann geschah sehr vieles gleichzeitig. Jean-Baptiste sagte: »Fernand, die Flaschen, die ich bei Oscars Geburt in den Keller legen ließ!« Ich wandte mich um und suchte Marie. Unsere Dienerschaft stand an der Tür. Madame La Flotte in einer kostbaren Abendrobe, die Fouché bezahlt haben dürfte, versank in einen Hofknicks. Dicht neben ihr versank meine Vorleserin. Yvette schluchzte verzweifelt. Nur Marie rührte sich nicht. Sie trug ihren wollenen Schlafrock über dem altmodischen Leinennachthemd,sie hatte ja Oscar angezogen und keine Zeit gehabt, an sich zu denken. So stand sie in einer Ecke und hielt den Schlafrock ängstlich über der Brust zusammen. »Marie –«, flüsterte ich, »hast du es gehört? Das schwedische Volk trägt uns die Krone an. Es ist anders als bei Julie und Joseph. Es ist – ganz anders. Marie – ich habe Angst!«
»Eugénie –« Heiser und erstickt klang es. Und dann vergaß Marie, den Schlafrock zusammenzuhalten. Eine Träne rollte über ihre Wange, während sie – Marie, meine alte Marie – einen Hofknicks machte. Jean-Baptiste lehnte am Kamin und studierte das Schreiben, das ihm Herr Mörner überreicht hatte. Der strenge Feldmarschall Graf Essen trat auf ihn zu. »Es sind die Bedingungen, Königliche Hoheit«, sagte er. Jean-Baptiste sah auf: »Ich nehme an, dass Sie selbst erst vor einer Stunde von meiner Wahl erfahren haben. Sie waren die ganze Zeit in Paris, Herr Feldmarschall. Es tut mir Leid –« Feldmarschall von Essen hob erstaunt die Brauen: »Was tut Ihnen Leid, Königliche Hoheit?« – »Dass Sie keine Zeit hatten, sich daran zu gewöhnen. Aufrichtig Leid, Sie haben mit großer Treue und großer Tapferkeit jede Politik des Hauses Vasa verteidigt. Das war nicht immer leicht, Graf von Essen.« – »Es war sogar sehr schwer, und die Schlacht, die ich seinerzeit gegen Sie schlug, habe ich leider verloren, Königliche Hoheit.« – »Wir werden die schwedische Armee gemeinsam wieder aufbauen«, antwortete Jean-Baptiste. – »Bevor ich morgen früh die Antwort des Fürsten von Ponte Corvo nach Stockholm schicke, möchte ich auf einen Punkt des Schreibens aufmerksam machen«, sagte der Feldmarschall. Es klang beinahe drohend. »Es handelt sich um die Staatsbürgerschaft. Die Adoption bedingt, dass der Fürst von Ponte Corvo schwedischer Bürger wird.« Jean-Baptiste lächelte: »Haben Sie angenommen, dass
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