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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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zu lesen, dass er Frankreich – das revolutionäre Frankreich nämlich – vernichten müsse. Deshalb schloss er sich den Feinden Frankreichs an. Nachdem der Zar mit Kaiser Napoleon Frieden geschlossen hatte, wandte er sich auch gegen Russland. Wir marschierten gegen die stärksten Mächte des Kontinents und sind beinahe daran verblutet. Der Feldmarschall von Essen hat Pommern an den Herrn Gemahl – Pardon, an Seine Königliche Hoheit, den Kronprinzen Carl Johan, verloren, und die Russen haben uns Finnland weggenommen. Unser Finnland …« Er machte eine Pause. Plötzlich: »Und wenn der Fürst von Ponte Corvo damals, als er mit seinen Truppen in Dänemark stand, über den vereisten Öresund marschiert wäre, dann würde es heute überhaupt kein Schweden mehr geben. Madame – Königliche Hoheit, wir sind ein uralter Staat, wir sind zwar müde und abgekämpft, aber wir wollen –bestehen!« Er zerbiss seine Unterlippe. Ein schöner, junger Mann mit regelmäßigen Zügen, dieser Graf von Brahe, aus altem schwedischem Geschlecht. »Deshalb haben unsere Offiziere beschlossen, dieser wahnsinnigen Politik ein Ende zu machen. Voriges Jahr – am 13. März – wurde Gustaf IV. im königlichen Schloss in Stockholm gefangen genommen, der Reichstag trat zusammen und setzte ihn ab. Man krönte seinen Onkel, der schon einmal die Regierung geführt hat. Den Adoptivvater der Königlichen Hoheiten.«
    »Und wo ist er jetzt, dieser – wahnsinnige Gustaf?«
    »In der Schweiz, glaube ich.« – »Er hat einen Sohn, nicht wahr?« »Ja, auch einen Gustaf. Der Reichstag hat auch ihn aller Ansprüche auf die schwedische Krone für verlustig erklärt.«
    »Wie alt ist er?«
    »In Oscars – im Alter des Erbprinzen Oscar.« Graf Brahe stand auf, pflückte das verwelkte Blatt vom Spalier und zerkrümelte es zerstreut zwischen den Fingern. »Kommen Sie wieder her und sagen Sie mir, was man gegen diesen kleinen Gustaf hat.« Graf Brahe zuckte die Achseln: »Nichts. Aber man hat auch nichts für ihn übrig. Das Volk fürchtet krankhafte Veranlagung in der Familie Vasa. Es ist ein sehr altes Fürstengeschlecht, Hoheit, es ist zu vielen Familienheiraten gekommen.« Das Haus Vasa ist ihnen zu alt. Es wollte Schweden wieder zur Großmacht erheben und ruinierte dabei das Volk. Zuletzt hat es sich sogar an die »niederen Stände«, die so genannten Bürgerlichen geklammert. Worauf der Adel eine schwarze Maske anlegte und einen Ball besuchte. »War der jetzige König stets kinderlos?« Brahe wurde lebhaft. »Carl XIII. und Königin Hedvig Elisabeth Charlotte hatten einen Sohn, aber der ist schon vor vielen Jahren gestorben. Bei seiner Thronbesteigung musste Seine Majestät natürlich einen Nachfolgeradoptieren und wählte den Prinzen von Augustenburg, den Schwager des dänischen Königs. Der Prinz war gleichzeitig Statthalter in Norwegen. Die Norweger haben ihn sehr geliebt. Man hoffte nach seiner Thronbesteigung auf eine Union zwischen Schweden und Norwegen. Als der Prinz von Augustenburg Ende Mai verunglückte, wurde der Reichstag wieder einberufen. Das Ergebnis der Wahl kennen Königliche Hoheit.«
    »Das Ergebnis«, sagte ich leise. »Aber nicht, wie es dazu gekommen ist. Bitte erzählen Sie mir den Hergang der Wahl!« »Hoheit wissen, dass der Fürst von – ich meine, dass der Kronprinz seinerzeit in Lübeck einige schwedische Offiziere gefangen genommen hat.«
    »Natürlich, zwei davon sitzen doch gerade bei Jean-Baptiste. Dieser staubige Baron Mörner – hat er übrigens in der Zwischenzeit ein Bad genommen? – und Baron Frie –«
    »Ja, Mörner und Baron Friesendorff«, nickte Brahe. »Damals in Lübeck hat der Fürst von Ponte Corvo diese jungen Offiziere zum Souper eingeladen und zufällig erwähnt, wie er sich die Zukunft des Nordens vorstellt. Als Realpolitiker anhand einer Landkarte. Unsere Offiziere kehrten nach Schweden zurück, und seitdem ist in Armeekreisen immer nachdrücklicher davon gesprochen worden, dass wir einen Mann wie den Fürsten brauchen, um Schweden zu retten. Mehr gibt es nicht zu erzählen, Hoheit!«
    »Sie sagen, dass nach dem Tod dieses Augustenburg der Reichstag einberufen wurde. Wie hat sich dabei der Adel verhalten? Der alte schwedische Adel, der niemals zugelassen hat, dass den Bürgerlichen zu große Rechte eingeräumt werden?« Graf Brahe sah mir voll ins Gesicht. »Die meisten jüngeren Mitglieder des Adels sind Offiziere. Wir haben vergeblich versucht, Finnland zu verteidigen und Pommern zu halten. Die

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