Désirée
Verstand dieser junge Mann eigentlich, warum ich weinte? »Vielleicht hätte ich Ihnen das alles nicht erzählen sollen, Königliche Hoheit«, sagte er. »Aber ich glaube, es ist besser, Sie wissen es.«
»Der Adel, die Offiziere, der dritte und der vierte Stand wählten meinen Mann. Und Seine Majestät, der König?«
»Der König ist ein Vasa, Hoheit. Ein Mann, der kaum über sechzig Jahre alt ist und bereits einen Schlaganfall nach dem anderen hat. Ein Mann, dessen Knie von der Gicht gekrümmt und dessen Gedanken unklar geworden sind. Er hat sich bis zuletzt gewehrt und einen norddeutschen Vetter nach dem anderen und sämtliche dänischen Prinzen vorgeschlagen. Schließlich musste er nachgeben …« Schließlich musste er nachgeben und Jean-Baptiste als seinen lieben Sohn adoptieren, dachte ich. »Die Königin ist jünger als Seine Majestät, nicht wahr?« »Ihre Majestät ist etwas über fünfzig Jahre alt und eine sehr energische und kluge Frau.«
»Wie sie mich hassen wird«, flüsterte ich. »Ihre Majestät freut sich sehr auf den kleinen Herzog von Södermanland«, sagte Graf Brahe ruhig. Im gleichen Augenblick tratMörner aus dem Haus. Er sah frisch gewaschen aus, das runde Knabengesicht strahlte, er trug eine Galauniform, Oscar lief auf ihn zu. »Ich will das Wappen auf den Knöpfen sehen!« Er fingerte auf der Brust Mörners herum. »Schau, Mama, drei kleine Kronen und ein Löwe, der eine Krone trägt! Wirklich – ein sehr schönes Wappen!« Mörner ließ jedoch nachdenklich den Blick von mir zu Brahe schweifen. Ich sah verweint aus und der junge Graf verlegen. »Ihre Königliche Hoheit hat gewünscht, die Geschichte unseres Königshauses während der letzten Jahrzehnte zu hören«, kam es verlegen von Brahe. Mörner hob überrascht die Augenbrauen. »Sind wir jetzt auch Mitglieder der Familie Vasa?«, fragte Oscar eifrig. »Wenn der alte König den Papa adoptiert, so sind wir doch richtige Vasa, nicht wahr?«
»Unsinn, Oscar, du bleibst, was du bist – ein Bernadotte«, sagte ich scharf und stand auf. »Wollten Sie mir etwas sagen, Baron Mörner?«
»Seine Königliche Hoheit lässt Ihre Königliche Hoheit bitten, in sein Arbeitskabinett zu kommen.« Jean-Baptistes Arbeitskabinett bot einen seltsamen Anblick. Neben dem Schreibtisch, auf dem sich wie immer Aktenstücke auftürmten, stand der große Spiegel aus meinem Ankleidezimmer. Jean-Baptiste probierte eine neue Uniform. Vor ihm knieten drei Schneider, den Mund voll Stecknadeln. Andächtig wohnten die Schweden der Anprobe bei. Ich betrachtete den neuen dunkelblauen Rock. Der hohe Kragen war mit einer schlichten Goldkante besetzt. Die schweren goldenen Stickereien der Marschallsuniform fehlten. Jean-Baptiste studierte sich ernsthaft im Spiegel. »Es spannt«, erklärte er todernst. »Es spannt unter der rechten Achsel.« Die drei Schneider fuhren gleichzeitig hoch, trennten die Naht unter dem Ärmelloch auf und steckten sie wieder zusammen. »Können Sie einen Fehleran der Uniform entdecken, Graf von Essen?«, wollte Jean-Baptiste wissen. Worauf alle Schweden eifrig wurden. Essen schüttelte den Kopf, aber Friesendorff fuhr mit der Hand über Jean-Baptistes Schultern, sagte: »Königliche Hoheit verzeihen«, presste dann die Hand auf Jean-Baptistes Rücken und erklärte: »Unterm Kragen wirft sich eine Falte!« Dann tasteten alle drei Schneider Jean-Baptistes Rücken ab, konnten aber keinen Fehler finden. Die Entscheidung fällte natürlich Fernand: »Herr Marschall – die Uniform sitzt!«
»Ihre Schärpe, lieber Graf von Essen!« Und schon hatte Jean-Baptiste dem verbitterten Grafen eigenhändig die blaugelbe Schärpe vom Magen gerissen und band sie sich um. »Sie müssen ohne Ihre Schärpe nach Schweden zurückreisen, ich brauche Ihre für die morgige Audienz! Schließlich kann ich keine andere in Paris auftreiben. Schicken Sie mir sofort drei schwedische Marschallschärpen, wenn Sie nach Stockholm kommen!« Erst jetzt bemerkte er mich. »Das ist die schwedische Uniform – steht sie mir?« Ich nickte. »Wir sind morgen Vormittag um elf zum Kaiser bestellt. Ich habe um Audienz angesucht und möchte, dass du mich begleitest«, teilte er mir mit. »Essen, soll die Schärpe über dem Gürtel sitzen oder ihn verdecken?«
»Den Gürtel verdecken, Königliche Hoheit.«
»Ausgezeichnet, dann muss ich mir nicht auch noch Ihren Gürtel ausborgen. Ich werde den der Marschallsuniform – ich meine, der französischen Marschallsuniform – tragen, kein
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