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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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Ideen des Fürsten von PonteCorvo begeistern uns. Wir haben versucht, unsere Eltern für unseren Plan zu gewinnen. Und nach dem Mord war es jedem klar, dass wir verloren sind, wenn nicht eine sehr starke Persönlichkeit zum Thronfolger gewählt wird.«
    »Nach dem Mord? Um Gottes willen, schon wieder ein Mord?« »Hoheit haben wahrscheinlich noch gar nicht gehört, dass beim Begräbnis des Prinzen von Augustenburg Reichsmarschall Graf Axel Fersen ermordet worden ist. In der Nähe des königlichen Schlosses auf offener Straße.«
    »Fersen? Wer ist Graf Fersen?« Brahe lächelte. »Der Liebhaber der verstorbenen Königin Marie Antoinette. Der Mann, der versuchte, die arme Königin und Louis XVI. aus Frankreich zu schmuggeln. Die ganze Reisegesellschaft wurde bei Varennes aufgegriffen. Übrigens hat Graf Axel Fersen bis zu seinem Tod den Ring der Königin getragen. Eine sehr traurige Geschichte …«
    »Sie erzählen mir lauter traurige Geschichten, Graf Brahe«, murmelte ich verwirrt. »Je mehr Sie mir über Stockholm berichten, umso trauriger wird es.« Sonderbar, dass Marie Antoinette einen schwedischen Liebhaber hatte, ging es mir durch den Kopf. Wie klein die Welt ist … »Aber warum wurde dieser Graf Fersen ermordet?« – »Weil er ein fanatischer Gegner des neuen Frankreich war. Und da Augustenburg um jeden Preis Frieden mit Frankreich schließen wollte, bevor Schweden ganz zugrunde gerichtet war, hatte sich das Gerücht verbreitet, dass Graf Fersen den damaligen Kronprinzen vergiftet habe. Ein Unsinn natürlich, der Prinz von Augustenburg stürzte während einer Truppenparade vom Pferd. Aber der Pöbel, der in Fersen einen Gegner der Friedensverhandlungen sah, hat ihn auf offener Straße überfallen und mit Steinen erschlagen. Er wollte gerade dem Leichenzug des verunglückten Augustenburg entgegengehen.«
    »War denn keine Wache in der Nähe?«
    »Zu beiden Seiten der Straße bildeten Truppen Spalier. Sie rührten sich nicht«, sagte Brahe ausdruckslos. »Es heißt sogar, dass der König von diesem Anschlag wusste und ihn nicht verhindert hat. Fersen war ein Gegner unserer Neutralitätspolitik. Nach diesem Vorfall hat der Statthalter von Stockholm erklärt, dass er in der Hauptstadt nicht mehr für Ruhe und Ordnung garantieren kann. Deshalb ist der Reichstag in Örebro und nicht in Stockholm abgehalten worden.« Oscar bohrte mit der Fußspitze im Sand herum, das Gespräch langweilte ihn, er hörte nicht zu. Gottlob hörte er nicht, dass ein einzelner Mann erschlagen worden ist, während ganze Regimenter teilnahmslos zusahen. »Seit diesem Mord versteht der Adel, dass die jungen Offiziere, die den Fürsten von Ponte Corvo ins Land rufen wollen, Recht haben. Man hält den alten König für einen –«
    Mörder, wollte er sagen und sprach es nicht aus. Ich hob den Kopf: »Und der dritte und vierte Stand?«
    »Die verlorenen Kriege haben die Staatskassen geleert. Unsere Rettung ist der Handel mit England. Aber nur ein Mann, der mit Napoleon sehr gut steht, kann verhüten, dass Schweden gezwungen wird, sich der Kontinentalsperre anzuschließen. Das sehen der dritte und vierte Stand auch ein. Übrigens ist ein bettelarmer Hofstaat bei den Gewerbetreibenden nicht beliebt. Das Haus Vasa kann bald die Gärtner seiner Schlösser nicht mehr bezahlen. Als man den Bürgern sagte, dass der Fürst von Ponte Corvo sehr reich ist, stimmten sie für ihn.« – »Mama, ist der Papa wirklich so reich, dass er alle Gärtner von Schweden bezahlen kann?«, wollte Oscar wissen. »Im Allgemeinen nimmt man an, dass Emporkömmlinge reich sind«, sagte ich nur. »Das Volk von Schweden und seine Aristokraten haben sich dieser Meinung angeschlossen.« Ich habe seit Jahren einen Teil meines Gehaltes aufgespart, ichkann ein kleines Haus für Sie und das Kind kaufen … Das hat Jean-Baptiste in jener ersten Regennacht, in der wir durch die Straßen von Paris fuhren, zu mir gesagt. Ein kleines Haus für mich und das Kind, Jean-Baptiste, aber doch nicht dieses Königsschloss in Schweden, in dem die Adeligen schwarze Masken tragen und ihren König ermorden. Nicht dieses Schloss, vor dem das Volk einen Reichsmarschall mit Steinen erschlägt, während die Truppen des Königs zuschauen. Nicht dieses Schloss, Jean-Baptiste … Ich schlug die Hand vors Gesicht und weinte haltlos. »Mama, liebe Mama –« Oscar hatte die Arme um meinen Hals geschlungen und presste sich an mich. Ich wischte meine Tränen ab und sah in Graf Brahes ernstes Gesicht.

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