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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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kannst du mir nicht die Schuhe ausziehen? Oder Villatte darum bitten?« Da weiteten sich alle Augen vorEntsetzen. Habe ich etwas angestellt? Ich halte das heiße Glas in den Händen, ich kann doch nicht gleichzeitig meine Schuhe ausziehen, Jean-Baptiste oder Villatte haben mir unzählige Male in Hannover oder in der Rue d’Anjou – Ich sah von einem zum anderen. Wie ein eiserner Ring umschloss mich die Stille. Jetzt – jetzt wurde sie unterbrochen. Jemand kicherte. Grell, haltlos. Es war Mariana von Koskull. Scharf wandte sich die Königin ihr zu. Und sofort verwandelte sich das Kichern in Hüsteln. Dann stand schon Jean-Baptiste neben mir und bot mir den Arm. »Ich bitte die Majestäten, meine Frau zu entschuldigen. Sie ist von der Reise durchnässt und übermüdet und möchte sich gern zurückziehen.« Das gepuderte Haupt nickte. Der Mund des Königs stand halb offen, als ob er noch immer nachdachte, ob er richtig gehört habe. Ich senkte den Kopf. Als ich ihn wieder hob, begegnete ich dem ersten Lächeln. Man hat mir später erzählt, dass die Königinwitwe Sophia Magdalena seit Jahren nicht gelächelt habe. Aber jetzt verzog sich der blasse Mund. Bitter, sarkastisch. So weit ist es also mit den Vasa gekommen … An der Tür wandte ich mich noch einmal um und wollte Oscar rufen. Aber das Kind untersuchte gerade die Knöpfe am Uniformrock Seiner Majestät. Der alte Herr sah ganz glücklich aus. Da ließ ich mich still von Jean-Baptiste hinausbegleiten. Erst in meinem Schlafzimmer begann er zu sprechen. »Ich habe deine Suite völlig neu herrichten lassen. Pariser Tapeten, Pariser Teppiche. Gefällt es dir?« »Ich möchte ein Bad, ein heißes Bad, Jean-Baptiste.« »Du, das geht nicht! Der einzige Wunsch, den ich dir noch nicht erfüllen kann!« »Wieso? Badet man nicht in Stockholm?« Er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin der Einzige, glaube ich.« »Was? Die Königinnen und die Hofdamen und die Kavaliere – kein Mensch badet hier?« »Nein, ich habe dir ja gesagt, es ist noch alles wie – also, wie in Versailles zurZeit der Bourbonen. Hier wird nicht gebadet. Ich habe so etwas geahnt und meine Wanne mitgenommen, aber erst seit einer Woche kann ich warmes Wasser bekommen. Die Küche liegt zu weit von meinen Privaträumen entfernt. Jetzt hat man irgendwo in der Nähe meines Schlafzimmers einen Herd aufgestellt, auf dem Fernand Wasser für mein Bad wärmen kann. Ich werde dir auch so einen Herd besorgen und versuchen, eine Badewanne aufzutreiben. Du musst nur etwas Geduld haben. Überhaupt – du musst Geduld haben, ja?« »Kann ich nicht heute Abend in deiner Wanne ein Bad nehmen?« »Bist du wahnsinnig? Und dann im Schlafrock von meiner Suite in deine laufen! Der ganze Hof würde wochenlang von nichts anderem sprechen.« »Soll das heißen, dass ich nie im Schlafrock – ich meine, dass ich nie in dein Schlafzimmer –?« Und fassungslos: »Jean-Baptiste, verbietet uns die Etikette am schwedischen Hof –?« Ich stockte. »Du weißt schon, was ich meine.« Jean-Baptiste lachte schallend auf. »Komm her, kleines Mädchen, komm her! Du bist wunderbar, du – mein Einziges du! So gelacht habe ich nicht, seitdem ich Paris verlassen habe.« Er warf sich in einen Lehnstuhl und stöhnte vor Lachen. »Hör zu! Neben meinem Schlafzimmer ist ein Zimmer, in dem sich Tag und Nacht ein Kammerherr aufzuhalten hat. Das verlangt die Etikette. Natürlich lasse ich auch noch Fernand in diesem Raum schlafen. Wir sind vorsichtig, Liebling. Wir empfangen keine schwarzen Masken und dulden auch keine Verschwörungen im Säulengang wie der vierte Gustaf. Da sich neben meinem Zimmer immer irgendjemand aufhält, ziehe ich für – ja, für gewisse vertrauliche Aussprachen mit meinem kleinen Mädchen das Schlafzimmer Ihrer Königlichen Hoheit vor. Verstehst du mich?« Ich nickte. Dann: »Jean-Baptiste – habe ich mich sehr unmöglich benommen? Ich meine, war es ein schlimmer Verstoß gegen die Etikette,dass ich mir von Villatte die nassen Schuhe ausziehen lassen wollte?« Er lachte nicht mehr, sondern sah mich ernst, beinahe traurig an. »Es war fürchterlich, kleines Mädchen. Wirklich, es war fürchterlich.« Er warf den Kopf zurück, stand auf: »Aber das konntest du nicht wissen. Und bei Hof hätte man es voraussehen können. Ich habe die Abgesandten des Königs gewarnt. In jener Nacht, in der sie uns die Krone angeboten haben.« »Nicht uns, Jean-Baptiste, dir!« Marie brachte mich zu Bett. Sie legte Wärmflaschen unter meine

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