Désirée
übertragen«, sagte laut und deutlich die Lewenhaupt. »Sie will zwar dem König vorschlagen, die Leitung des Staatsrates dem Kronprinzen zu überlassen. Aber zum Regenten wird er nicht ernannt. Zumindest nicht, solange –«
»Solange?«, fragte Madame La Flotte. Ich rührte mich nicht. Marie stand wie eine Statue. »Wird der Kronprinz Regent, so ist die Kronprinzessin Regentin«, sagte die Lewenhaupt schneidend. Eine Pause entstand. »Der Kronprinz wird den Staatsrat leiten, und die Königin wird während der Krankheit seiner Majestät als Regentin an seiner Seite stehen und den König vertreten«, meinte die Lewenhaupt beiläufig. »Und Ihre Majestät, seine Mama, seine liebe zärtliche Mama, wird sich an seinem Arm dem Volke zeigen und beweisen, wer in Schweden an der Macht ist. Das passt ihr …«, lachte die Koskull. »Die Königin hat dem Kanzler klipp und klar erklärt, dass dies die einzige Lösung sei«, schloss die Lewenhaupt. »Womit hat sie es begründet?«, wollte die Koskull wissen. »Die Kronprinzessin sei noch nicht reif genug, um die repräsentativen Pflichten einer Regentin zu erfüllen. Es würde dem Ansehen des Kronprinzen sehr schaden, wenn sich Ihre Königliche Hoheit zu oft in der Öffentlichkeit sehen ließe.« »Ich bin neugierig, ob sie das dem Kronprinzen sagen wird«, murmelte Madame La Flotte. »Sie hat es ihm bereits gesagt. Denn außer dem Kanzler und mir war auch der Kronprinz bei dieser Unterredung zugegen.« »Wieso eigentlich Sie?«, erkundigte sich Madame La Flotte. »Sie sind doch Hofdame Ihrer Königlichen Hoheit, soweit ich informiert bin.« »Sie sind richtig informiert, liebe Madame La Flotte. Aber ich genieße die große Ehre, mit der Königin befreundet zu sein.« Und das Ganze ist ein Bescheid der Königin an mich, dachte ich. »Marie, das Badetuch!«Marie hüllte mich fest in mein Badetuch. Frottierte mich. Stark und liebreich waren ihre Arme. Ich drückte mich an sie. »Lass dir das nicht gefallen, Eugénie, lass es dir nicht gefallen!«, flüsterte sie und reichte mir einen Schlafrock. Ich trat hinter dem Wandschirm hervor. Meine drei Hofdamen hatten die Köpfe zusammengesteckt und tuschelten. »Ich möchte mich ausruhen, bitte, lassen Sie mich allein, meine Damen!« Die Lewenhaupt verneigte sich: »Ich komme mit einer traurigen Nachricht, Hoheit. Seine Majestät hat einen leichten Schlaganfall erlitten, der linke Arm erscheint etwas gelähmt. Seine Majestät muss sich schonen und –« »Danke, Gräfin. Ich habe alles gehört, während ich gebadet habe. Ich bitte, mich jetzt allein zu lassen.«
Ich wickelte mich fester in meinen Schlafrock und trat ans Fenster. Es war fünf Uhr nachmittags und schon ganz dunkel. Schneemassen waren zur Seite geschaufelt worden und türmten sich an den Mauern des Schlosses auf. Sie begraben mich hier, dachte ich, sie begraben mich im Schnee. Es war ein dummer Gedanke, und mir fiel ein, dass ich heute noch nicht meine schwedische Lektion auswendig gelernt hatte. Ich nehme nämlich schwedischen Unterricht. Jean-Baptiste hat einen Kanzleirat Wallmark als Sprachlehrer engagiert, und dieser würdige Herr erscheint jeden Nachmittag vergeblich bei ihm. Jean-Baptiste hat immer wichtige Besprechungen und keine Zeit für seine Stunden. »Du musst endlich Schwedisch lernen«, sage ich oft zu ihm. »Damit du dir nicht fortwährend einbildest, dass sich die Anhänger der Vasa gegen dich verschwören, wenn in irgendeiner Ecke Schwedisch gesprochen wird. Hier wird nämlich an allen Ecken und Enden Schwedisch gesprochen.« Aber Jean-Baptiste hörte nicht auf mich. »Kleines Mädchen, wenn du wüsstest, was gerade jetzt für Schweden auf dem Spiel steht!« Mir ist es leid um dasGeld, das an diesen Kanzleirat Wallmark jeden Monat ausbezahlt wird, und deshalb nehme ich jeden Tag eine Lektion. Oscar kann schon eine ganze Menge schwedische Sätze. Aber er hat auch drei schwedische Lehrer und kennt gleichaltrige Kinder, mit denen er Schlittschuhlaufen darf. Jag er, du er, han er … lernte ich. Jag var, du var, han var … Jag er Kronprinsessan – ich bin Kronprinzessin, – du er Kronprinsessan – du bist Kronprinzessin, – han er – nein, er ist nicht Kronprinzessin, das ist blödsinnig – han er Kronprins – er ist Kronprinz …« »Marie!« »Hast du mich gerufen, Eugénie?« »Du könntest mir einen Gefallen tun, Marie. Es gibt hier in Stockholm eine Straße, die Västerlanggatan oder so ähnlich heißt. Dort hatte Perssons Vater sein
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