Désirée
großen Schlafzimmers durch eine spanische Wand aus wunderschönen Gobelins verdeckt. Am anderen Ende des Zimmers unterhielt sich die La Flotte halblaut mit der Koskull. Marie beugte sich über mich und rieb mir den Rücken ab. Da hörte ich eine Tür gehen und gab Marie ein Zeichen. Marie hielt inne. »Ich komme soeben aus den Gemächern Ihrer Majestät. Seine Majestät hat einen leichten Schlaganfall erlitten.« Es war die Stimme der Gräfin Lewenhaupt. »Oh!« Das war die Koskull. »Es kann nicht der Erste gewesen sein, wie geht es dem König?«, sagte Madame La Flotte gleichgültig.»Seine Majestät muss vorderhand völlige Ruhe haben. Es besteht keine Gefahr, sagen die Ärzte. Aber der König muss sich sehr schonen und darf sich in der nächsten Zeit den Regierungsgeschäften nicht widmen. Wo ist Ihre Königliche Hoheit?«
Ich bewegte die Beine, es plätscherte. »Die Kronprinzessin badet und ist im Augenblick nicht zu sprechen.«
»Natürlich. Sie badet! Auf diese Weise wird sie ihren Schnupfen nie loswerden!« Ich plätscherte wieder mit den Beinen. »Wird der Kronprinz die Regentschaft übernehmen?« Ich hörte zu plätschern auf. »Der Kanzler hat es Ihrer Majestät vorgeschlagen. Weil wir uns in einer so schwierigen Situation befinden – mein Gott, heimliche Verhandlungen mit Russland und gleichzeitig diese drohenden Noten aus Frankreich. Der Kanzler wünscht, dass dem Kronprinzen die Regierung so bald wie nur möglich übertragen wird.« »Und?«, fragte die Koskull. Ich hörte geradezu, wie sie den Atem anhielt. »Die Königin weigert sich, dem König das vorzuschlagen. Und der König tut nur, was sie will.« »Wirklich?«, kam es sarkastisch von der Koskull. »Ja. Auch wenn Sie sich einbilden, sein Liebling zu sein! Ihr Vorlesen und Lachen hält ihn höchstens wach. Und das ist immerhin eine Leistung … Übrigens lesen Sie ihm jetzt sehr selten vor, es scheint Ihnen nicht mehr so viel daran zu liegen, der Sonnenstrahl Seiner Majestät zu sein … Irre ich mich?« »Es ist amüsanter, mit dem Fürsten von Ponte Corvo – verzeihen Sie, ich bin zerstreut – ich meine, es ist amüsanter, mit Ihrem Kronprinzen zu tanzen«, warf Madame La Flotte hin. »Unserem Kronprinzen, Madame La Flotte«, verbesserte die Koskull. »Wieso? Mein Kronprinz ist er ja nicht, ich bin doch nicht Schwedin. Als Französin unterstehe ich Kaiser Napoleon, wenn es die Damen interessiert.« »Es interessiert uns nicht«, sagte die Gräfin Lewenhaupt. Wie ein Schatten lehnteMarie an den Gobelins. Stumm sahen wir einander an, ich bewegte die Beine im warmen Wasser, es rauschte, dann ließ ich mich tiefer in die Wanne gleiten. »Und warum, wenn ich fragen darf, überträgt man in diesen für Schweden so entscheidenden Wochen nicht die Regentschaft dem Kronprinzen?«, erkundigte sich Madame La Flotte. »Weil sie es nie im Leben zugibt«, flüsterte die Lewenhaupt. Sie flüsterte es sehr laut. Plötzlich begriff ich, dass dieses Gespräch für mich bestimmt war. »Natürlich nicht«, meinte die Koskull. »Sie spielt jetzt endlich die erste Geige.« »Sie war doch schon vor der Ankunft des Kronprinzen Königin«, meinte die La Flotte. »Ja, aber der König hatte keine Macht. Seine Minister regierten«, erklärte ihr die Koskull freundlich. »Bilden Sie sich vielleicht ein, dass der König heute regiert?«, lachte Madame La Flotte. »Der König schläft doch bei allen Staatsratssitzungen. Wissen Sie, was vorgestern passiert ist? Ich weiß es vom Grafen Brahe. Als Kabinettssekretär Ihres Kronprinzen war er bei der Sitzung des Staatsrates dabei. Es muss entweder vor oder nach zwölf Uhr gewesen sein. Denn Punkt zwölf wacht der König ja auf, weil man sein Glas Punsch und ein belegtes Brot vor ihn hinstellt. Jedenfalls schlummerte er süß, und nur, wenn eine Pause in den Vorträgen seiner Minister eintrat, murmelte er mechanisch: ›Ich stimme dem Vorschlag des Staatsrates zu.‹ – Vorgestern wurde gerade irgendein Todesurteil behandelt. Der Justizminister schlägt vor, der König möchte es unterschreiben, der König murmelt im Schlaf: ›Ich stimme dem Staatsrat zu.‹ Da packt ihn der Kronprinz plötzlich am Arm und rüttelt ihn wach. Und schreit ihm ins Ohr – halb taub ist er ja auch, Euer König – also, schreit ihm ins Ohr: ›Majestät, wachen Sie auf, es handelt sich um ein Menschenleben!‹ Und trotzdem will ihm die Königin die Regentschaft nicht übertragen?«
»Und trotzdem will ihm die Königin nicht die Regentschaft
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