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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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Entscheidungsschlacht haben wir verloren.« »Gewonnen – und Seine Hoheit persönlich hat Leipzig erstürmt«, stieß von Rosen leidenschaftlich hervor. »Im selben Augenblick, in dem Seine Hoheit durch das Grimmaische Tor in Leipzig einzog, flüchtete Napoleon aus der Stadt. Seine Hoheit hat an der Spitze seiner Truppen gekämpft – von Anfang bis zu Ende.«
    »Und warum sind Sie nicht bei der flüchtenden französischen Armee, Oberst Villatte?« – »Ich bin Kriegsgefangener, Hoheit.«
    »Von Rosens Kriegsgefangener?« Der Schein eines Lächelns glitt über Villattes Gesicht. »Sozusagen – ja. SeineHoheit hat mich nicht mit den anderen Gefangenen in die Baracken abmarschieren lassen, sondern verlangt, dass ich sofort nach Paris reite. Um Ihnen zur Seite zu stehen, Hoheit, bis –«, er schluckte. »Bis –?«
    »Bis die feindlichen Truppen hier einziehen.« So steht es also. Ein einsamer Reiter trabt nachts über ein Schlachtfeld und weint. »Kommen Sie, meine Herren, gehen wir in die Küche, ich werde Kaffee kochen!«
    »Ich werde den Koch wecken, Hoheit!«
    »Wozu, Graf von Rosen? Ich koche sehr guten Kaffee. Vielleicht können Sie so freundlich sein und Feuer machen.« Von Rosen schob ungeschickt ein paar schwere Holzscheite in den Herd. Diese Grafen, diese Grafen … »Zuerst Kienspäne, von Rosen, sonst brennt es nicht! Helfen Sie ihm, Villatte, ich glaube, der Graf hat noch nie in seinem Leben mit einem Herd zu tun gehabt!« Villatte machte Feuer, und ich stellte einen Kessel Wasser darüber. Dann setzten wir drei uns an den Küchentisch und warteten. Die Stiefel, die Hände, die Gesichter der beiden Männer waren mit Kot bespritzt. »Die Schlacht wurde am siebzehnten und achtzehnten Oktober geschlagen. Am Vormittag des neunzehnten stürmte Bernadotte Leipzig«, sagte Villatte ausdruckslos.
    »Ist Jean-Baptiste gesund? Haben Sie ihn selbst gesehen, Villatte? Ist er gesund?«
    »Sehr gesund. Ich habe ihn mit eigenen Augen gesehen, inmitten des ärgsten Schlachtens – vor den Toren von Leipzig war es nämlich ein wahres Schlachten, Madame –, und Bernadotte war die ganze Zeit über ausgesprochen gesund.«
    »Haben Sie ihn gesprochen, Villatte?«
    »Ja – nachher. Nach der Niederlage, Madame.«
    »Dem Sieg, Oberst Villatte! Ich dulde nicht –« Graf von Rosens Knabenstimme überschlug sich. »Wie hat erausgesehen, Villatte? Ich meine – nachher?« Villatte zuckte die Achseln und starrte in die fahle Ölflamme auf dem Küchentisch. Das Wasser kochte, ich machte Kaffee. Dann stellte ich die groben Tassen der Dienerschaft auf den Tisch und schenkte ein. »Villatte, wie hat er ausgesehen?«
    »Er ist grauhaarig geworden, Madame.« Der Kaffee schmeckte bitter, ich hatte den Zucker vergessen. Ich stand auf und suchte die Zuckerschale. Schämte mich plötzlich, weil ich mich in meiner eigenen Speisekammer nicht mehr auskannte. Zuletzt fand ich den Zucker und stellte ihn auf den Tisch. »Hoheit kochen wunderbaren Kaffee«, sagte von Rosen ergriffen. »Das sagt auch mein Mann. Früher habe ich ihm immer schwarzen Kaffee gekocht, wenn er die Nächte durchgearbeitet hat. Erzählen Sie mir alles, was Sie wissen, Graf!«
    »Wenn ich nur wüsste, womit ich beginnen soll, es ist ja so viel geschehen. Ich erreichte Seine Hoheit im Schloss Trachtenberg. Und ich war dabei, wie Seine Hoheit dem Zaren von Russland und dem Kaiser von Österreich und dem Generalstab der Verbündeten den ganzen Feldzugsplan erklärte. Die beiden Kaiser und ihre Generäle beugten sich über Landkarten. Seine Hoheit dagegen hatte nicht einmal ein Stück Papier vor sich liegen. Während er sprach, blickte er die gegenüberliegende Wand an und nannte dabei die Namen winziger Dörfer und völlig unbekannter Hügel. Der Plan Seiner Hoheit wurde ohne Diskussion einstimmig angenommen. Seine Hoheit schlug vor, die alliierten Truppen in drei Armeen einzuteilen und diese in einem Halbkreis gegen Napoleon vorrücken zu lassen. Sobald Napoleon sich einer der Armeen stellte, sollten die beiden anderen seine Flanken angreifen und seine Rückzugslinien abschneiden. Jemand sagte zu Seiner Hoheit: ›Ein genialer Plan!‹ Worauf Seine Hoheit antwortete: ›Ja, aber nicht neu. Napoleons bewährte Taktik.‹« Ichschenkte Kaffee nach. Eine Uhr schlug halb sechs. »Weiter!«, drängte ich. »Seine Hoheit befehligte die Nordarmee und hatte zuerst sein Hauptquartier in Stralsund. Dann rückten wir in Berlin ein, und Seine Hoheit wohnte in Charlottenburg.«
    »Was

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